Freitag, 24. Oktober 2008

Tesa, Silards, Insuiciety, Who's my saviour, Sugartown Cabaret in der Scharni 38

Ist mittlerweile ja auch schon wieder ewig her. Trotzdem jetzt noch das Review. Vorausschickend sei zu erwähnen, dass dies mal wieder einer jener Abende war, die noch lange nachwirken und Erinnerungen produzieren, deren Bewahrung noch lange Kraft spendet. Also einer von den ganz großen. Auch wenn Tesa aus Riga alles übertrumpfte, so war die Mischung der Bands davor auch ein verdammt guter Ausgangspunkt dafür.

Die Scharni38 kannte ich bisher hauptsächlich vom Schnarup-Thumby, die Kneipe, die ebenfalls darin beheimatet ist und ihren vormals großartig trashigen multisexuellen Parties. Leider sind die jetzt musikalisch hauptsächlich mit Elektro-Kram statt Alltime-Trash und Hits gefüllt. Trotzdem sehr nette Location, in der ich immer wieder gern bin.
Trotz viel zu spät da sein, waren wir zu früh. Aber das ist ja nicht ungewöhnlich.

Den Anfang machten dan irgendwann Sugartown Cabaret. Emocore aus Frankreich und sehr angenehm. Mochte sie auf Anhieb, die Musik ist einfach mindestens genauso gut wie deren Zurschaustellung, alles passte, gelungener Auftakt. Texte kenn ich natürlich keine.

Who's my saviour aus Rostock machten so ne Art Death Metal, der irgendwie aufgesetzt und viel zu lieb und durch völlig deplazierte Knüppelpassage mehrlustig denn bitterböse wirkte.

Insuiciety hab ich ja nun auch schon mehrfach gesehen und fand sie auch an diesem Abend wieder fein, wobei ich teilweise sogar Zugang zu ihrem neuen Material gefunden habe, was metallischer und weniger Sludge als noch das alte (tolle) Zeugs daherkommt.

Die drei ersten Bands habe ich jetzt nur im Schnelldurchlauf vorgestellt, weil sie zwar für einen netten Abend sorgen konnten, aber nie auch nur ansatzweise das hätten ersetzen können, was nun folgte.

Silards ist ein Nebenprojekt von Tesa. Selber Drummer. Ob die beiden anderen auch bei Tesa sind, weiß ich grad nicht. Jedenfalls noch ne Heimorgel und ne Gitarre und komplett instrumental. Und komplett tanzbar. Sehr beschwingt und positiv das Ganze. Ich mochte es sehr, hat dem spät gewordenen Abend wieder neues Leben eingehaucht. War sehr schön, wenn auch noch lange nicht so athmosphärisch wie Tesa.

Ein schlagzeugspielender Kumpel kam den ganzen Auftritt über nicht klar, was der Drummer da hinlegte. Und ich konnte in Ansätzen nachvollziehen was er meinte. Schlagzeugeinlagen übelster Sorte und dazu noch die Vocals - Respekt. Naturtalent, gute Übung, was auch immer, mir egal, aber der war richtig großartig.

Vermutlich war es genau der souverän geführte, extrem abwechslungsreiche Rhythmus, der dazu führte, dass Tesa in Tiefen vordrangen, die ich sonst den wenigsten Bands, die nach Screamo-Art Musik machen, zusprechen würde. Aber vielleicht kenn ich mich in dem Sektor auch nur zu wenig aus. Envy aus Japan ist immer mein schlecht passender Vergleich, der unter Umständen helfen kann, ein wenig der Wirkung Tesas zu erklären, wenn mensch die noch nie gehört hat. Nicht ganz so episch und auch nicht so (wut)ausbruchlastig, dafür mindestens ebenso in sich ruhend und alles in sich aufnehmend. Musik, die zum versinken einlädt. Die Lieder gingen entweder ineinander über oder waren kaum zu trennen. Keine Ansagen. Augen zu und reingelegt. Abschweifende Gedanken und Bilder glücklicher Tage im Kopf, flossen die Ströme der Erinnerung im Verlauf der Melodien vor sich hin und wuchsen mit der Intensität der Musik.

Ihre Myspace-Seite nennt unter anderem als Einflüsse Isis, Converge und Sigur Ros woran schon zu sehen ist wie weit gefasst das Spektrum und wie tief die Abgründe sind, welche Musik mit diesen Eckpfeilern beinhaltet.

Wie lange sie gespielt haben, kann ich im Nachhinein kaum sagen, auch nicht was und wie und so weiter. Weil es empfindungsmäßig in einer anderen Realität angesiedelt war. Eine, in der es nicht ums aufnehmen und realisieren, sondern ums verschmelzen und sich Verlieren geht. Und genau das ist passiert. Fühl mich grad als würde ich über Trance oder irgendwelche andere Elektro-Mucke schreiben, aber vielleicht sind die Erfahrungen auch gar nicht so unterschiedlich. Nur, dass sie zu mehreren Zugaben gezwungen wurden und dass das bei ner Band wie Tesa heißt, dass sie mal eben ne halbe bis dreiviertel Stunde länger spielen müssen. Die Armen waren am Ende total erschöpft und es war auch schon halb fünf oder so.

"Mal wieder" (hehe) eines dieser bewusstseinserweiternden Konzerte und obwohl ich Tesa schon einmal gesehen habe, fand ich sie diesmal noch beeindruckender und tiefergehender.

Glatte Fünf von Fünf für den Abend.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Fliehende Stürme & Die Angst in der Chemiefabrik Dresden

+++Vorbemerkung: Nach Verfassen des Reviews wurden mir äußerst beunruhigende Infos (danke an killerblau dafür!) über den politischen Charakter der Vorband zuteil. Aus Faulheit ergänze ich einfach nur den Absatz, der von ihnen handelt.+++


Manchmal ist Timing einfach alles. Manchmal sind solche Sprüche aber auch der absolute Schwachsinn - wie so vieles.
Jedenfalls hat mich der Berlin-Koller diesmal im exakt richtigen Moment getroffen - nämlich erst kurz vor der Abreise Richtung Dresden. Klappt halt doch. Manchmal.

Der Grund Hauptstadt gegen Landeshauptstadt zu tauschen war offensichtlich ein gewichtiger. Fliehende Stürme. Das letzte Mal in der "alten" Besetzung - also jene, die ich live seit meinem ersten Stürme-Konzert gewohnt bin. Spät geboren halt.

Dank Deutscher Bahn endete die Fahrt vorerst in Coswig. Ostdeutsche Provinzbahnhöfe sind doch das Coolste. "Sie haben noch Anschluss an Oberlippenbartensemble und Intoleranz mit erhöhter Wahrscheinlichkeit neonazistischer Übergriffsszenarien". Vielen Dank Lügen-Schaffnerin, nix mit S1 nach Schöna. Nach dem ersten Grummeln jedoch eine hauptstadtarrogante Überraschung - nur eine halbe Stunde bis zur nächsten S-Bahn. Hammer. Mensch rechnet ja immer mit dem Schlimmsten außerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes, hehe.

Jedenfalls kurz darauf in der Dresdener Neustadt aufgeschlagen und gerstensaftversorgt ab in die Chemiefabrik. Sehr netter Laden und gleich für perfekte Ausgangsbedingungen gesorgt. Sternburg Export im Thekensortiment, dazu Stürme und Die Angst, das gabs doch schon mal...damals in Potsdam. Und, wie sollte es anders kommen, wurde auch dieses eines der schöneren bis schönsten Stürme-Konzerte.Allerdings mit einem bitteren Nachgeschmack...

Die Angst. Ja, der Name passt, denn nachdem ich jetzt weiß, was mit denen geht, bekomme ich es doch auch ein wenig mit der Angst zu tun. Einer von denen spielt auch bei Sonne Hagal und die hängen in dieser ganzen Neofolk-Nazikacke tief mit drin. Ausführlicheres gibts beim Ex-Die Angst-Label:
Thought Crime Records

Da schreib ich was über Neo-Nazis in der Provinz und schau mir selber einen auf der Bühne samt Band, die sich dazu nicht äußern will, an. Zum kotzen.

Schon erstaunlich, dass das so wenig bekannt ist. Denn auch wenn ich die Chemiefabrik nicht kenne, so wirkte sie auf mich doch wie ein liebenswürdiger Rückzugsort linker Subkultur(en). Und wissentlich hätten die so einen Gig sicherlich nicht durchgehen lassen. Krasse Scheiße jedenfalls. Den Rest, den ich über die Angst schrieb, lösch ich raus. Mich würde nur interessieren, wovon eines ihrer Lied handelte, in dessen Refrain "Auschwitz" und "Bergen-Belsen" fielen. Mehr war nämlich für mich nicht zu verstehen und nach diesen Erkenntnissen wirkt das doch mehr als zynisch alles...und es zeigt, dass der Grat zwischen "dunkler" Musik und religiösen/ rassistischen/faschistischen Ideologien unglaublich schmal ist. Unpolitisch gibts halt doch nicht. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es gut, dass Fliehende Stürme auf ihrem neuen Album wieder deutlichere Worte finden, die an die guten alten Chaos Z-Tage zurückdenken lassen:

Hör nicht hin/ Nur noch Wut/ Es ist falsch/ Leerer Raum/ Immer das Gleiche/ Schon gelebt/ Keine Heimat/ Nicht existiert (Fliehende Stürme - Ex-ist)

oder halt die klassische Absage an Deutschland und den ganzen dazugehörigen Dreck:
"Ich glaube nicht an dich/ Ich spucke dir ins Gesicht/ Und mich, mich kriegst du nicht" (Chaos Z - Krass)

Aber, da ich das ja wie gesagt das alles erst hinterher erfuhr, ging der Abend unbetrübt und gutgelaunt weiter:

Und die Stürme. Dürfte mein neuntes Konzert mit ihnen gewesen sein. Sehr beruhigend zu wissen, welche Auswirkungen ein Stürme-Konzert haben kann und wird. Die entnervenden Tage und Wochen vorher mit sternburgbelasteter Stürme-Athmosphäre weggespült - einfach eine perfekte Entgiftungs- und Entrümpelungskur gegen Berge aus kontaminiertem Gedankenmaterial. Und mit der Gewissheit, dass das passieren wird, lebt sichs doch gleich viel freier.

Jedenfalls waren mal wieder all die essentiellen Bestandteile eines Stürme-Konzertes vertreten und auch die zusätzlichen Liedelchen trafen meinen Geschmack. Von "das Chaos brütet" über "Alles Falsch", "An den Ufern" und "Tag der Armut" bis hin zu "Die aus dem Schatten springen" und "Killerblau" riss jedes Lied tiefere Furchen in die Kehle, welche von der ersten bis zur letzten Zeile jedes Lied der Bühnen-Klangwand entgegenschleuderte.

Leerschreien. Was für ein befreiendes Gefühl.
Erstaunlich, dass ich danach kein bisschen heiser war.

Auch von den neuen Sachen wurde viel gespielt. "Lunaire" und "Bakterien", aber auch "Erinnerung", "Kind" und so weiter. Die Mischung hat gestimmt - weil sie einfach ganz viel gespielt haben. Sie konnten sich zwar nur zu zwei Zugaben überreden lassen, aber das hat schon gepasst, denn die wichtigsten Lieder fielen ja bereits.

Was mir mal wieder besonders positiv auffiel ist die beinahe Unsichtbarkeit der Band. Sie kommen auf die Bühne, wünschen einen guten Abend, trinken ihre Biere, rauchen ihre Zigaretten, sagen wie das nächste Lied heißt und spielen es runter. Irgendwann wünschen sie eine Gute Nacht und "kommt gut nach Hause" und das wars dann.

Keine bescheuerten Ansagen, keine unnötige Selbstdarstellung, keine "Choreographie". Einfach nur Fliehende Stürme. Texte und Musik reichen aus, um alles zu (er)klären.
Mehr bedarf es nicht.

Das beeindruckte mich schon beim ersten Mal. Und das wird es noch oft tun. Auch wenn es mittlerweile dank Routine nicht mehr dasselbe ist, wie vielleicht das erste oder zweite Mal - so bleiben es doch immer wundervolle Momente der Weltentbundenheit, um nicht zu sagen Freiheit. Oder noch pathetischer: Dunkelfreiheit. Ja, vermutlich relativ genau so:

"Ich will durch die Zeiten wüten - nichts tun, was mir nicht gefällt
Whiskey trinken in der Hölle - Stimmung ist so killerblau

Drück mich kräftig doch halt mich nicht zurück
Drück mich kräftig - ich suche das Glück"

Freitag, 3. Oktober 2008

03.10. Kafkas, Culm und Grizou im Lokal (Berlin)

Der Tag der deutschen Einheit ist ja tendenziell eher ein Tag für Grummelstimmung zwischen patriotischen Radiomoderationen und Festlichkeiten für keine Ahnung wen. Aber mit einer Dauerschleife "Deutschland has gotta die" von Atari Teenage Riot und der Gewissheit, dass es am Abend noch ein schickes Konzert geben wird, können darüber hinwegtrösten, dass es einfach ein Scheißtag ist.

Am meisten hab ich mich merkwürdigerweise nicht auf die Hauptband gefreut, nein, vielmehr wollte ich endlich Grizou (aus Berlin) wieder sehen. Zwei Mal sah ich sie in der Vergangenheit bereits als Vorband. Einmal von The Devil in Miss Jones und einmal von den Boxhamsters. Letztere spielten sie locker unter den Tisch und auch wenn ich die Aufnahmen, die ich von Grizou habe (also das Gratiszeug ausm Netz), eher mäßig bis ganz gut finde, sind sie live doch mehr als lohnenswert (weil schneller und härter!).

Sie machen einen Stil, den es viel zu selten gibt. Musikalisch im Deutschpunk verwurzelt, aber trotzdem an den Instrumenten fit, schöne Melodien, verbunden mit einem Gesang, der beste Screamo-Qualitäten aufweist und schon gibt das ne schicke Mischung. Weiß gar nicht, was ich großartig dazu schreiben soll außer, dass sie mich wieder einmal ziemlich begeistert haben. Die neuen Sachen (wie neu sie auch immer sind), klingen teilweise richtig gut - am meisten hat mich jedoch gefreut, dass sie ihr Konzert mit meinem Liebling "Das Leben ist schön" beschlossen.

Danach waren "Culm" (aus Rheine) an der Reihe. Die gaben ihr letztes Konzert und bezeichnend war wohl, dass es in Berlin als Vorband der Kafkas und nicht in ihrer Gegend als IHR Abschiedskonzert stattfand. Dementsprechend war auch die Musik. Ganz nett, aber irgendwie doch nur Schublade Indie-Rock (und nicht "Post-Core" wie auf den Plakaten) und ohne Zugabe von der Bühne. Blass und schnell vergessen. Auch wenn es fies ist, so etwas über ein Abschiedskonzert zu schreiben und natürlich nur das ist, was ich empfunden habe.
Ich hoffe ehrlich, dass es anderen Menschen anders erging. Sonst wärs wirklich fies.

Und dann auch "schon" die Kafkas, war ja erst mitten in der Nacht, weil das Konzert so spät begann. Jedenfalls, Kafkas. Hab ich in meiner Teenie-Deutschpunk-Zeit relativ oft gehört. Also das Album "Privilegienthron". Mit mehr hatte ich damals nicht viel zu tun - den Rest erst später beiläufig entdeckt. Und fürn Fünfer sieht mensch doch gern mal so ein Stück Jugend. Am Treffendsten für diesen Auftritt ist vielleicht der Begriff "schräg".

Zwischen reich verteilten Pöbeleien des Sängers an seine Mitmusizierenden und der Feststellung, "dass ihr das geilste Publikum seid, dass wir je hatten - danke Hamburg!" gabs auch Musik. Die war laut und bei den Liedern, die ich kannte auch sehr schön - weil mitsingen können und so. Die neuen Elektropunk-Tracks kamen vom MP3-Player, der nicht so recht wollte, und irgendwo auf dem Boden kurz vorm Drauftreten lag. Die gerissene Saite sorgte für minutenlange Kleinkunstaction. Die Einlage einer Zuschauenden mit so nem Karnevals-Song von wegen totem Mops oder so, war nur beim ersten Mal lustig - beim zweiten Mal eher anstrengend. Auch die Einbindung einer Pöbelecke eher nervig - denn Menschen, die sexistische Beleidigungen von sich geben, brauchen meines Erachtens nach, nicht noch extra Bühne und Aufmerksamkeit zu erhalten.
Gab aber auch schön Vegan- und Tierrechtspropaganda und so soll das doch auch sein. Wenigstens ein steckenpferdiger Anfang, um die p.c.-Ehre zu retten.

Die Songauswahl hat im Endeffekt auch ganz gut gepasst, auch wenn ich weniger kannte als angenommen. Aber gibt ja auch bald ein neues Album. Sehr gefreut hab ich mich über "Lebensrezeptur".

Skurril und teilweise beinahe schon absurdes Theater, aber ein schöner Gig.
Und ein schöner Abend.

Samstag, 2. August 2008

Sucks'n'Summer 2008 - Samstag

Da am selben Tag in Leipzig der Rave für Tierbefreiung statt fand, musste ich vorerst mit elektronischer Musik vorlieb nehmen und verpasste einige der frühen Bands. Voll mit elektronischen Beats musste dann der Hardcore seinem Namen erstmal gerecht werden.

Die ersten, die ich sah, waren eine lang verschollene Früh-Jugend-Erinnerung: Misconduct. In eben jenem AJZ Leisnig waren sie Hauptbestandteil meiner allerersten Hardcore-Show. Keine Ahnung wann das war, scheint Ewigkeiten her zu sein. Jedenfalls war die Show großartig und Misconduct auch. Ein wenig verlor ich sie aus den Augen, doch es war hübsch sie einmal wieder zu sehen. Auch wenn vor der Open Air-Stage gegen 18:00 noch nicht so viele Menschen versammelt waren und nur einige eingefleischte Fans für Stimmung sorgten. Dazu gehörte ich allerdings merkwürdigerweise auch recht schnell wieder. Denn ihr süßer schwedischer Melodycore mit den plakativen Texten, geht schnell ins Ohr und viele Lieder konnte ich auch nach Jahren noch mitsingen. Sehr angenehmer Einstieg, auch wenn ich an Unity und Hardcore Pride irgendwie nicht mehr so recht glauben mag. Erstaunlich, dass das bei ihnen trotzdem nie prollig oder machomäßig wirkt, sondern aus tiefster Überzeugung heraus entstanden zu sein scheint. Menschen mit Überzeugungen.

Weiter ging es mit All for Nothing aus den Niederlanden, die mit ihrem schweren female-fronted Hardcore alles überrollten und die Stimmung anzuheizen vermochten. Relativ coole Band, die mensch sich gern mal geben kann. Allerdings auch nichts, was jetzt irgendwie sonderlich herausragt.

Sworn Enemy wollten wir bewusst verpassen, durch einen unvorhergesehenen Line-Up-Dreher, verpassten wir aber stattdessen Wisdom in Chains. Sworn Enemy machen metallischen Bollokram. Muss ich mehr sagen?

Danach dann allerdings eine Überraschung: The Architects. Die waren richtig geil und erinnerten in ihren besten Momenten an Dillinger Escape Plan. Ein breites Grinsen im Gesicht für ihr professionelles Gefrickel da oben. Sehr schnell unterwegs und technisch immer für eine unerwartete Wendung gut. Haben sehr viel Spaß gemacht!

Und waren doch nur Wartezeitüberbrückung für die heiß ersehnten Bane. Auch ganz in der Gegend, nämlich im Jugendhaus Rosswein, sah ich sie vor einiger Zeit das erste Mal und die Jungs aus Massachussetts vermochten es doch glatt meinen Glauben an Hardcore wieder herzustellen. So eine Aufrichtigkeit, so ein Commitment und so viel Herzblut, was sie verströmen - das steckt an. Die leben Hardcore mit allem was das heißt - und das schon seit vielen Jahren. Und bleiben den Idealen treu, von denen die neueren Hardcore-Generationen so wenig wissen wollen. Leicht gealtert stehen sie da auf der Bühne und schaffen es (nicht nur mich) noch immer zu elektrifizieren. Für die verliere ich doch gern im riesigen Outdoor-Circle Pit meinen Schuh. Wenn mir dann Leute wieder aufhelfen und mir zeigen, dass es das alles noch gibt, was Hardcore heißt.
Und kommen dann die Anderen, die "neuen", dann ist klar was passiert. Ein Typ hat einem anderen paar gelangt - einfach so. Bane beenden ihr Lied und sagen, dass sie nicht weiter spielen, bis dieser Typ sich verpisst. Weil sie so etwas nicht haben wollen auf ihren Shows. Weil sich so etwas nicht gehört auf Hardcore-Shows. Und weil viel zu wenige Bands das Maul aufmachen, wenn es so weit kommt. Weil jene Bands die Kids im Pit scheinbar nicht mehr interessieren.

Ich bin so froh, dass es noch Bands wie Bane gibt. Und solange sich das nicht ändert, glaube ich auch weiterhin manchmal noch an Hardcore und alles was damit zusammen hängt.

Ein Beispiel mag vielleicht sein, dass ich bei Weitem nicht Straight Edge bin. Allerdings verbietet es mir der Respekt vor den Bands und deren Lebenseinstellungen auf Hardcore-Shows zu trinken (rauchen sowieso nicht). Schade, dass ich damit relativ alleine da stehe.

Denn gleich danach kam der Vorschlaghammer, die Ideale zu zertrümmern. All Shall Perish. Widerlicher Metalcore für Tough Guys, wobei das -core auch getrost weggelassen werden kann. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, was Hardcore mal hieß und teilweise noch heißt. Ich bin auch gleich gegangen.


Wie bereits am Freitag wurde das Festival gegen Mitternacht wieder ins gemütliche AJZ verlagert und noch einmal richtig Gas gegeben.

Begonnen wurde mit Strength Approach aus Rom, die viel mit den sich noch anschließenden To Kill zu tun haben, die ebenfalls aus Rom kommen. Sowohl musikalisch als auch meinungsmäßig und von ihrer Klasse her, stimmen sie so mit To Kill überein, dass ich auch gleich über die schreiben kann. Sehr schnell, leichte Metallkante (Strength Approach nicht so sehr), aber trotzdem Hundert Prozent Hardcore. Vegan Straight Edge - Commitment for Life. Hehre Ideale, hochpolitisch und krasse Mucke. Zwei Bands, die unheimlich Spaß machten. Schade, dass mir schon so viel in den Knochen steckte, sonst hätte ich mich liebend gern zu beiden verausgabt. Unbedingt mal geben, wenn die in der Stadt sind.

Tja, und auch wenn bzw. weil es eigentlich kaum noch besser werden konnte, musste das halt trotzdem noch passieren.

Den krönenden Abschluss des diesjährigen Sucks'n'Summers bildeten die großartigen Tangled Lines, die großteils aus Dresden kommen. Den Drummer teilen sie sich mit Vitamin X und wer die kennt, weiß wie rasendschnell der ist. Auch stilistisch sind The Tangled Lines in dieser Richtung zu verorten. Sauschnell, laut und den Idealen des Hardcore noch immer verhaftet. Dazu ein schöner "Hauch" Ostigkeit - der Gitarrist mit langen Haaren und Oberlippenbart könnte auch einer 70er-Jahre-DDR-Rockband entsprungen sein - inklusive Dialekt. Die alte Schule mit schnellerem Beat.

Für Hardcore (leider) genau so ungewöhnlich wie wohltuend, dass es eine Sängerin gibt. Und auch wenn ich es doof finde, plötzlich mit Schwärmen anzufangen, wenn da mal kein Typ auf der Bühne steht, aber die Frau ist einfach bezaubernd. Die Freude, der Glanz in den Augen, die Ansagen, da steckt noch Feuer und Energie dahinter. "Zum Glück sind die Windmühlen schon nach Hause gegangen - wer hier Windmühlen machen will, kriegt von mir persönlich paar mitm Knie in die Eier" und alles ist geklärt. Kein Metal-Mosh, kein Tough-Guy-Shit, nur Stage-Diving, Circle Pits und dick Pogo. So macht Hardcore noch Spaß. Leider war ich selbst -wie gesagt- nach den beiden Tagen total platt, so dass ich nicht mehr viel mitgemacht hab, aber diese Band ist einfach zu geil. Poltern in einer atemberaubenden Geschwindigkeit los und kaum ist das Lied zuende, entschuldigt sich die Sängerin, dass sie langsamer geworden sind, weil sie nicht mehr so oft auftreten. Da sind die Sympathien klar verteilt. So liebe ich Hardcore. Ohne Bollos, Hools, Metal-Anleihen und Tough-Guy-shit. Stattdessen authentischer Hardcore, bei dem alle Spaß haben sollen.

Das Lustigste war das Ende. Nach einer Zugabe meinte die Sängerin, dass sie nichts mehr können und ihre Stimme im Arsch ist. Nach ewigen Diskussionen meinte sie dann, dass ja ein oder mehrere Menschen aus dem Publikum noch ein Lied singen könnten. Und so geschah es dann. Zwei-drei Typen kamen auf die Bühne und performten ein Tangled-Lines-Stück. Sehr sehr hübsch. Wie die Tangled Lines insgesamt und To Kill und Bane und all der Hardcore-Spirit, der einmal mehr seinen Weg in mein Herz fand, so prekär und zerbrechlich er auch sein mag.

Und so bin ich versöhnt und beglückt nach Hause gegangen. Endgeile Show. Tolles Festival.

Freitag, 1. August 2008

Sucks'n'Summer 2008 - Freitag

Das Line-Up des diesjährigen Sucks'n'Summers verhieß schon im Vorfeld nicht zu viel Gutes. Aber da ich nur wenige Kilometer von Leisnig aufgewachsen bin und dort noch immer das ein oder andere bekannte Gesicht herumgeistert, wollte ich natürlich auch dieses Jahr wieder hin.
Ironisch mag daran vielleicht erscheinen, dass ich dieses Festival das erste Mal gerade in jenem ersten Jahr besuchte, in dem ich nicht mehr in der Gegend ansässig war.

Nachdem für dieses Jahr auch noch Verse abgesagt hatten, war ich wirklich am Grübeln, ob es mir gefallen würde. Viel Metal, viel "Bollo" und nur wenige Highlights.

Überhaupt scheint das Sucks'n'Summer ein gutes Spiegelbild der Hardcore-Szene an sich zu sein. Politik findet nur noch am Rande, an einigen Antifa- und Mob Action-Ständen statt und Konsum und "neue" Szeneidentität prägen das Bild. Zu dieser neuen Identität gehört ein unglaublich stumpfes Selbst-Abfeiern und widerliches Männlichkeitsideal. Straight Edge verkommt zu einem Dogma für Machos, die damit nur noch Stärke, Stolz und Selbstbeweihräucherung verbinden, mehr aber auch nicht. Und die anderen geben es einfach ganz auf und saufen sich die Birne zu, bis sie zu späterer Stunde lauthals rumprollen.

Sinnbildlich für die Organisation auch der Info-Flyer, auf dem zum Melden von braunem Gesocks aufgerufen wird - der allgegenwärtige Sexismus in der Szene wird jedoch nicht einmal thematisiert. Ebenfalls finde ich diese Pseudo-Toleranz total verlogen, nach welcher "food for everyone" angepriesen wird. Das äußert sich in drei Ständen, welche neben veganem Fast-Food auch diverse Tierausbeutungs- und Tiermordprodukte feilbieten. Stellung zu beziehen für Tierrechte wäre wohl zu viel verlangt. Stattdessen wird den Konsument_innen die ganze Palette vorgesetzt und jede strukturelle Verantwortung für falsche Konsumgewohnheiten abgelehnt. Der politische Anspruch endet halt leider bei Anti-Nazismus, der in der Region ja schon beinahe selbstverständlich ist bzw. sein muss, da eine Nicht-Positionierung zu diesem Thema quasi ausgeschlossen ist. Die Konzepte von "Good night white pride" bzw. "Let's fight white pride" nahmen nicht umsonst auch hier ihren Ausgang. Trotzdem natürlich verdammt gut, dass es in der Provinz Menschen gibt, die sich so dezidiert gegen Neo-Nazismus einsetzen.

Aber gehen wir über zur Musik. Morda hatten wir verpasst und kamen zu Coliseum, die zwar Hardcore der cooleren Sorte machen, aber für mich zur Lachnummer wurden, als ich sie zwei Tage später ein weiteres Mal als Vorband von Converge sah. Da meinte der Sänger nur, dass er zwar froh ist, bald wieder in den Staaten zu sein, aber sehr neidisch auf das europäische Krankenversicherungssystem ist. Denn sein Haus, sein Auto und seine Gitarre kann er sich abschminken, wenn er in Amerika Krebs kriegt. Vielleicht sollte er mal ein Lied über die endgeilen europäischen "Wohlfahrts"-Staaten schreiben...


Es ging weiter mit War from a Harlots Mouth, die mit Full Speed Ahead tauschten, weil die "quasi-lokalen" aus Leipzig, im Stau standen. Ironie. WfaHM machen auch ziemlich schicke Musik, die wohl irgendwo zwischen Jazz und Grindcore zu verorten ist, was mir sehr gefiel. Die werd ich mir mal wieder anschauen. Full Speed Ahead, nun endlich eingetroffen, zockte danach auch gleich guten Bollo-Hardcore, der Sparte Make it count. Ist schon Berliner Bezirksnummerngeprolle lächerlich, so setzen FSA mit ihrem Song "0-four-two-seven-seven" dem ganzen die Krone auf und zeigen mit ihrer Ode an ihre Leipzig-Connewitzer Postleitzahl, warum ich sie als "Bollo" verorte. Naja, wenigstens haben sie einen Song namens "Good night white pride" am Start, der zwar textlich auch sehr dünn ist, aber doch den guten Willen zeigt.

Weiter gings mit No Turning Back, die vielleicht auch ein wenig prollig daherkommen mögen, aber die Niederländer wirken wenigstens...hm..."authentisch" wäre das erste Wort, das mir einfällt. Also sie leben Hardcore noch, mitsamt vieler der alten Ideale. Außerdem sind sie live ziemlich gut und kitzeln aus dem Durchschnittshardcore wenigstens noch das bisschen Potenzial heraus, was er her gibt. Deshalb möchte ich sie auch gar nicht schlecht reden, denn fernab meiner persönlichen Vorbehalte machen sie einfach mal Stimmung bei den Hardcore-Kids. Und das ohne Violent Dancing.

Integrity spar ich mir an dieser Stelle großteils. Viel zu wütend bin ich noch immer über die Vorfälle beim Converge-Konzert als sie während einer (einseitig provozierten) Schlägerei einfach weiter spielten ohne sich auch nur einen Dreck darum zu kümmern, was da unten vor sich ging.
Auch sonst ist nix Gutes zu denen zu sagen. Einfallsloser US-Bollo-Scheiß mit harter Metal-Kante. Von mir aus auch Metalcore. Irgendso ein eintöniger Kack halt.

Den Abschluss des Abends auf dem Open-Air-Gelände machten The Bones, die mit ihrem alkohollastigem punkigen Rock'n'Roll da ja mal so gar nicht hinpassen wollten. Waren ganz nett anzuschauen, aber nach ein paar Liedern versumpfte das Ganze auch in Eintönigkeit.

Mittlerweile war es Mitternacht und das AJZ öffnete seine Tore. Der Indoor-Anfang wurde der lokalen Band Commander Control anvertraut, die ihre Sache (wie immer) sehr gut machten. Entsprechend des "Umfelds" machen sie feinen Hochgeschwindigkeits-Old-School-Hardcore, der weder die neumodische Metalscheiße, noch die Bollokacke kennt und stattdessen mit einer wütenden Sängerin politische Inhalte und Hardcore-Lifestyle auf einer einfachen Ebene zu verbinden weiß. Gut so. Schön, dass es so etwas noch gibt.

Weiter ging es mit meinem Highlight des Tages: Something Inside. Ich kannte die vorher gar nicht und bin auch grad ein wenig verwundert darüber, dass die Jungs aus Senftenberg kommen, denn ihre Ansagen waren durchgängig englisch. Naja, seis drum, denn was sie sagten und zockten, war verdammt groß. Kein Wunder bei Youth of Today als Haupteinfluss. Politische Ansagen, u.a. auch zu den zehn Menschen in Österreich, die nur für ihre Tierrechtsarbeit in den Knast gesteckt wurden und vieles was einfach viel zu selten gesagt wird, fiel dann. Respekt.

Da ließ ich mich dann auch nicht zwei Mal bitten und schwitzte mir im Pit die Poren leer. War schon lange nicht mehr am moshen und Circle-Pit-rennen, aber die Freude bei einer inhaltlich und musikalisch sehr coolen Band in Bewegung zu sein, kam sehr schnell zurück. Fein fein.

Danach waren Make it Count aus Berlin an der Reihe. Für mich so ungefähr der Inbegriff stumpfen Bollo-Hardcores. Aber ne Menge Leute wollten sie sehen und rannten auch mit deren Tshirts rum. Nicht zu unrecht möchte ich bei den meisten meinen. Denn wer auf machohafte Selbstbespiegelung steht, kommt da auf seine Kosten. Ich bin nach ein paar Liedern gegangen. War eh durchgeschwitzt und müde und hab sie letztes Jahr schon gesehen. Bin da allerdings auch eher gegangen. Hat wohl Gründe.

Alles in allem ein netter Festivaltag, der leider mit Ausnahme von Something Inside keine Riesen-Highlights bereit hielt.

Samstag, 12. Juli 2008

Unterwegs in Sachen Punkrock - III. Kemnader Chaosfestival

Was gibt es für eine bessere Einleitung als:

"5 Punks und ein Fahrschein, Dosenbier
und Rotwein so brechen wir auf.
Ein Prost auf die Bahn, denn sie läßt uns fahr'n
Und wir sind gut drauf" (Terrorgruppe)

?

Ok, wir waren zu zehnt, aber die Grundaussage bleibt dieselbe. Morgens um acht mit Dirrrty Sanchez from Outta Space in Berlin aufgebrochen, vorher beim Späti noch das Portemonnaie geleert und ab ginga. Magdeburg. Braunschweig. Bielefeld. Bochum. Bus. Brücke. Aufm Weg viel Bier gekillt, lustige bis seltsame Begegnungen gehabt und Paderborner als Sterni-Methadon entdeckt und trotz der Andersartigkeit in seinen Vorzügen gepriesen.

Wie gesagt, war da noch eine Brücke (nach dem der Bus ewig durch Bochum gefahren ist...sind dort die Busse einfach langsamer oder fahren die drei Mal im Kreis, um den Eindruck einer Weltstadt zu suggerieren?) und drunter schrammelte sich schon eine Punkband warm. Das war die Obrichkait von der ich aber bis auf ein wenig drögen D-Punkbrei nicht viel mitbekommen hab. Lieber an der Ruhr chillen und die letzten Sonnenstrahlen genießen. Und Klischees über Bord werfen. Hier Bochum, dort Dortmund und dazwischen ganz viel Grün, was sich schon fast Natur schimpfen kann. Nur die Flugzeuge und die Autobrücke passen dann doch wieder.

Lustig auch die Menschen dort. Punks, die schon seit dreißig Jahren dabei sind. Antifa/Antispe-Menschen. Junge Punks. Oi-Skins. Und allerlei wunderliche Gestalten. Angenehme Mischung, mit Paderborner runtergespült. Pegel gehalten und ausgebaut zu Nuke Strike, welche die prolligsten HC-Elemente mit Punkrock verbanden und naja..."ganz nett"...waren. Also nichts sonderlich Besonderes, unter der Brücke hats aber ordentlich gescheppert, was dem Ganzen dann doch sehr geholfen hat. Laut wars jedenfalls.

Danach irgendwann Hiroshima mon amour, die schon mehr Stimmung gemacht haben bzw. richtig gut waren. Ältere Herren, gute Musik (verbunden mit dem nötigen Gitarren-Know-How) und angenehme Grundstimmung. Wenn da nicht noch das (unvermeidliche...) Rio-Reiser-Cover gekommen wäre und sie nach eben jenem gefühlte und praktisch durchgeführte 15 Zugaben gespielt hätten, wären sie schon sehr schick gewesen. Aber: dass sie in diesem Rahmen aufgetreten sind und für lau so ne Show abgeliefert haben, Respekt. Hat mir gefallen.

Ja, und dann kamen die Sieger_innen der Herzen und Gipfelstürmer_innen der Musikalität.
Prosecco-Tunten-Schlager-Punk. Vom Feinsten. Großartige Kostüme von der Kittelschürze über die blonde Perücke, zum Cocktailkleid, Lippenstift und feschem Bart. Da war alles echt...toll inszeniert. Gassenhauer wie "Beiß nicht gleich in jeden Apfel" oder "Liebeskummer lohnt sich nicht" mischten sich da mit illustren Geschichten über das Geheimnis des langen Lebens von Queen Mum (ihr gnadenloser Gin-Konsum...woraufhin auch das Publikum dieses Lebenselixier zu kosten bekam), darüber, dass das Wollschwein weder hier noch woanders zur Fleischverarbeitung bestimmt ist (auf niederländisch! Wolvarken is keen Salami...oder so ähnlich) und und und. Da reihte sich Klassiker an Klassiker und das Publikum johlte und tanzte außer sich vor Ekstase.

Ach ja, dass es ihr erster Auftritt war, erwähnte ich bereits? Jedenfalls war es auch fernab jeder Lobhudelei ein sehr schöner Gig und es hat mich sehr gefreut, dass das Feedback so positiv ausgefallen ist.

Mit halbwegs wärmenden Lagerfeuer und der Sehnsucht nach nem Bett ging es dann gegen vier mit dem Nachtbus zurück in die Bochumer Innenstadt. Um im Bahnhof irgendwelchen Quelle-Katalog-Bestellern (in Berlin heeßt dit "Opfer") beim sich gegenseitig verkloppen zuzuschauen. Anthropologie live. Noch schnell ne Pommes vom Imbiss geholt und dann am Bahnsteig schlottern. Stimmung grummelnd. Übermüdet. Frierend. Dann Dortmund. Bielefeld. Braunschweig. Magdeburg. Berlin. Sonntagnachmittag um drei. Wochenende wat willste mehr?

Wiederholenswert.




Freitag, 27. Juni 2008

Updates...

Es ist, wie immer, viel passiert. Deshalb wird es in Kürze auch eine ganze Reihe neuer Reviews geben. Wenn nur die Zeit nicht immer so knapp wäre (oder ich mit ihr sinnvolle Sachen anstellen würde ;-)

Ganz zentral ist dabei natürlich das Wochenende mit EA80, freitags in Berlin, samstags in Leipzig. Mittlerweile auch schon wieder zwei Wochen her.
Da das aber an sich unbeschreiblich war, dauerts wohl auch noch ne Weile bis sich mein plötzlich wieder aufbrandender Perfektionismus hinreißen lassen wird, auf "Post veröffentlichen" zu klicken.

Bis dahin,
*parole rauswühl*
stay punk.

P.S. Ach wie schön, dass ich jetzt nichts mehr in der Zukunft veröffentlichen kann...wtf?!?

Samstag, 21. Juni 2008

Einige Eindrücke vom Fête de la musique

Seit einigen Jahren nun schon findet in Berlin das "Fête de la musique" statt, welches, ursprünglich in Frankreich mit dem Gedanken auch weniger Begüterten Kultur nahezubringen, Anfang der 80er entstanden ist. In der ganzen Stadt sind Straßenmusikant_innen, professionelle Bands und Künstler_innen aller Art und jeden Stils anzutreffen und selbst die Gräßlichkeit des deutschen Ordnung-und-Sauberkeits-Primat ist, durch Aussetzung der Straßenmusikverordnungen, mal für ein paar Stunden mit einem Regenbogen ins Gesicht gemalt.

Ich für meinen Teil sah es als gute Gelegenheit an, mir mal wieder ein paar Bands anzuschauen, die ich noch nicht kannte und mich musikalisch weiterzubilden.

Los ging es für mich 16.00 Uhr am Mauerpark mit The Ghost of Tom Joad, die auf myspace noch ganz nett geklungen haben, aber mich irgendwie nicht so wirklich überzeugen konnten. Lag wohl neben der ekelhaften Kommerz-Stimmung (nein, ich nenne die verantwortlich Firma nicht) auch am Schulband-Rock-Sound. Etwas enttäuscht, aber noch immer guten Mutes ging es weiter zur Kulturfabrik in Moabit. Genauer gesagt, dahinter. Dummerweise haben wir uns auf dem Weg dahin verfahren und so Einiges verpasst. Hinter der Kulturfabrik war eine mittelgroße Bühne aufgebaut und den ganzen Tag gab es feine Dunkelmusik auf die Ohren. Zwischen Gothic-Rock, Dunkelelektronik, Metal, Wave und Gothic-Punk war für Schwarzgewandete und Sympathisierende sehr viel aufgeboten. Wir sahen um diese Uhrzeit leider nur Decades. Die haben zu zweit sehr angenehmen Wave mit Computer und Gitarre aufgeboten. Klang alles sehr nach Depeche Mode, was nach Eigenaussage auch gewollt war. Und alles andere als verkehrt war. Leider gab es einige Verzögerungen im Ablauf, so dass wir bereits weiter mussten, denn am Cassiopeia sollten We once loved spielen. Da wir erst einmal ne Weile an der falschen Bühne standen und - von der poppigen Musik abgeschreckt - noch mal Getränke sicherten, haben wir die komplett verpasst. Glücklicherweise haben wir unseren Irrtum aber genau dann entdeckt, als Trip Fontaine begannen. Sehr sehr geiler Improvisations-Hardcore. Nichts Festgelegtes, dafür mal ein wenig Elektronik, ein wenig Gejamme, drei Gitarren und viel gute Laune. Und wer das Zeitstrafe-Label kennt und meiner Aussage, dass sie da wirklich gut reinpassen, Vertrauen schenkt, kann sich ungefähr vorstellen, in welchem Rahmen das alles abläuft. Jedenfalls sehr schön gewesen, nun aber schnell weiter.

Wieder zurück zur Kulturfabrik, um zu sehen, dass Frank the Baptist schon losgelegt haben. Die machen Musik so, wie ich sie liebe. Dunkel, punkig, wavig. Die Stimme von Frank in bester Horrorpunk-Manier relativ weich und hoch, die Gitarren als seien sie in der Zeit stecken geblieben oder kommen direkt aus den frühen Achtzigern, genau wie die Musik insgesamt. Aus einer Zeit, in der Gothic und Punk noch dasselbe bedeuteten, schienen auch große Teile des Publikums zu stammen. Manche gar altersmäßig, viele jedoch zumindest optisch. Aufgebauschte, in alle Richtungen stehende Irokesen in allen Farben (bevorzugt natürlich jedoch schwarz), aufwendige, zerrissene Outfits mit dutzenden Accessoires und viel Schminke. Ich kann mir nicht helfen, aber ich liebe diesen androgynen, dunkelbunten Chic einfach. Und kann mich daran nie satt sehen. Jedenfalls hat alles gepasst und ich hab einen der seltenen Momente erlebt, in denen mich weder Musik noch Publikum störten. Große Seltenheit. Dementsprechend waren Frank the Baptist auch die Krönung des Abends. Gegen 22.00 Uhr schlossen sie dann mit ihrem Hit "If I speak", der vielfach mitgesungen wurde und mehrere Menschen auf die Bühne hat klettern lassen. Gemeinsam wurde so der Schlusspunkt unter einen schönen Nachmittag und Abend gesetzt, der in seinem Verlauf bandtechnisch immer besser wurde.

Ich mag die Fête de la musique-Idee sehr und nach dem ich es nun selbst gesehen habe, noch mehr.

Samstag, 14. Juni 2008

Ein Wochenende mit EA80 Teil 1

Beginnen wir philosophisch. Angenommen. Höchste Freude und tiefste Traurigkeit sind nicht zwei Enden einer starren Skala, sondern nur Extrempunkte auf einem fast geschlossenen Kreis, welche sich berühren, wenn die Intensität der Emotionen das rein geistig Fassbare übersteigt und für den Moment alle konkurrierenden Gedanken auslöscht. Sozusagen so lange Strom auf den Kreis jagen, bis der Funke überspringt. Dann bildet sich zwischen den Extrempunkten ein Kontinuum, in dessen Gefangenschaft ein ständiges Schwanken zwischen ihnen unabwendbar ist. Umgangssprachlich verewigt in der Redewendung "Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt".

Mag es ein hohes Glück oder eine Freude sein, Songs von EA80 zu hören, so wohnt ihnen doch stets ein bittersüßer Beigeschmack inne. Zutiefst verlorene, melancholische oder auch nur philosophisch-relativistische (wenn nicht gar zuweilen nihilistische) Lyriken verbinden sich da mit einem Musikstil, an dessen Beschreibung die Expert_innen virtueller Genre-Grenzen erst einmal Zähne werden lassen müssen. Intensiviert werden diese Gefühle gegenüber den zwei Buchstaben und den zwei Ziffern zweifelsohne live. Wie stark, das zeigen, glaube ich, schon ein paar Sätze des Berichts von meinem ersten EA80-Konzert: "Zitternd und völlig ohne klaren Gedanken verließ ich den Ort des Geschehens und kam erst am Bahnhof so langsam wieder zu mir" oder "Mir fallen gar nicht genügend Worte ein, um ihre Wirkung auf mich auch nur annähernd zu beschreiben". Grundlegend gewandelt hat sich das auch mit diesem Wochenende nicht, aber es sind viele Momente hinzugekommen, die das Bild nicht nur in einzelnen Facetten ergänzten, sondern neue, in kräftigen Strichen gepinselte Formen und Konturen haben sichtbar werden lassen.

Die Fakten sind recht langweilig. EA80 hat es mal wieder geschafft aus Gladbach rauszukommen und gleich zwei Konzerte in Berlin und Leipzig absolviert. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen. In meinen beiden Städten. Tickets schon seit Wochen/Monaten reserviert. Menschen an den Bahnhöfen der Stadt eingesammelt, zum SO36 gepilgert.

Am Einlass hing ein schlichtes Schildchen, dass EA80 um 21.46 Uhr anfangen wird zu spielen. Noch erstaunlicher als diese Zeitangabe war dann aber zweifellos, dass sie wirklich auf die Minute genau 21.46 Uhr die Bühne betraten. Vorher durfte sich jedoch noch eine scheinbar masochistisch veranlagte Trash-"Band" vom Publikum ausbuhen lassen, die sich "The German Folk Orchestra" oder so nannte und einfach nur grottig war. Auch wenn ich viel für Trash übrig habe, wirkte das weder nach gelungenem Drag, noch nach Ironie oder Stil, sondern einfach nur wie Fasching und verlorene Wette.

Schnell vergessen jedoch bei den ersten Klängen der alten, nie gerosteten Jugendliebe.
Der großen Stadt setzten sie ihre "kleine Welt" entgegen. "Licht" brachten sie. Und so weiter...und so fort. Jedes einzelne Lied eine Erinnerung oder auch mal zwei-drei. Unter den vielen dutzend Liedern ihres beinahe 30jährigen Schaffens konnten sie sich kaum ein falsches auswählen, denn in irgendeiner Art und Weise war jedes für sich genommen bereits genug. Hauptsache EA80. Über "was hätten sie spielen sollen" kann nach dem Konzert philosophiert werden, sie können sowieso nie alles spielen und natürlich fehlt immer eins oder zwei, die sie "unbedingt hätten spielen sollen". Auch wenn sie von den - für mich - ganz Großen diesmal nicht so viele spielten, es reichte. Bei Weitem. Allein schon so ein Stück wie "200m und danach" fühlt sich auch nach all den Jahren noch wie eine Offenbarung an (dass Junge live an der Stelle "das Leben ist grausam" den zweiten Halbsatz "und sicher in diesem Moment" einfach mal ausließ, mag dazu beitragen).

Wieder wurden die unterschiedlichsten Menschen von EA80 angezogen. Der Altersdurchschnitt mag wohl an beiden Abenden knapp über 30 gelegen haben - viele von ihnen jahrelange Fans. In den ersten Reihen war davon wenig zu spüren. Der Pogo war großteils jünger und teilweise doch arg egozentriert. Da haben manche Menschen ihre und die Grenzen anderer doch ganz schön überschritten. Bei den meisten von jenen schienen Alkohol oder andere Drogen dieses Verhalten zu erklären. Erstaunlich wie drei-vier Menschen einen ganzen Pogo-Mob aus dem "Takt" bringen können. Tendenziell arg nervig. Dadurch war dann aber auch meiner latenten Mosh-Neigung Vorschub geleistet und bis auf die paar blauen Flecken und den schmerzenden Ellenbogen danach, ein schönes Körpergefühl.

Und so verronn der Abend nach und nach. Die meisten Lieder in den Beinen verschwunden und von den Stimmbändern reflektiert, einige unter Augenlidern - alle vom Herzen aufgesogen.
Aber wie schon erwähnt, die ganz Großen fehlten. Nicht. Es war ein unglaublich schönes Konzert und hätte es auch bleiben können. Wäre da nicht die Zugabe gewesen. Häuser.

...und alles war vorbei. Sie haben dieses Lied unendlich lang gestreckt und gegen Ende schrie Junge den Part, der auf der Neuaufnahme von 2004 im Hintergrund läuft. Dieses tief verzweifelte Schreien, welches von ganz ganz unten zu kommen schien und mich brach. Natürlich habe ich mitgeschrieen. Nicht nur mit geschrieen, ich habe mich richtiggehend leer geschrieen. All der Frust, all die Erinnerungen, die Erfahrungen, den Schmerz, das komplette Sein einfach weggeschrieen. Als das Lied endete, verblieb ich zitternd mit Tränen in den Augen.
Möglicherweise der Punkt, den ich zu Beginn beschrieb. Zwischen Ekstase, Verzweiflung und Leere - oder anders gesagt: "Mein Haus ist schwarz/ und es steht allein/ es hat keine Fenster/ und niemand kommt rein".

Dieser großartige Moment hat es gekippt. Er hat das Konzert einzigartig und bewusstseinserweiternd werden lassen. Viel Zeit zum Verweilen blieb nicht, denn schon wurde ich wieder mitgerissen - sie stimmten zu "Auf Wiedersehen" an. Und besiegelten den Abend damit. Durchgeschwitzt, heiser, alle Knochen am Sich-beschweren und beglückt. Ein kühles Sternburg geholt und durch Kreuzberg am Kanal entlang nach Hause.




Freitag, 13. Juni 2008

Ein Wochenende mit EA80 Teil 2

Szenenwechsel. Ein Wochenendticket später vor dem UT Connewitz in Leipzig. Die gleichen beiden lieben Menschen an meiner Seite und schon wieder ein kühles Sternburg in der Hand.
Dieses Mal war deutlich anders. In vielerlei Beziehungen. Hatte ich am Vorabend nur einen Bekannten getroffen und ansonsten von den Menschen (außer von meinen beiden) relativ wenig mitbekommen, so war dieses Konzert viel wortlastiger - viel tiefer im EA80-Universum angesiedelt. Da war z.B. der stark angetrunkene Tshirt-lose direkt vor der Bühne, mit dem ich während sie "Sommerjugend" anspielten, erörterte warum Fliehende Stürme und EA80 beide großartig, aber doch sehr unterschiedlich sind. Er erzählte mir so vieles und gab mir von seinem Bier und dabei waren es nur ein-zwei Worte, die er hat fallen lassen müssen, um mir zu signalisieren, dass er mindestens genau so tief drin steckt wie ich. Dass die beiden Gruppen auch für ihn so unendlich viel bedeuten. Da werden schwere Zeiten sichtbar und bestimmte Einstellungen allen wichtigen Fragen des Lebens gegenüber. Da gibt es eine gemeinsame Ebene, ein gemeinsames Gefühl, welches einfach nicht wegzudiskutieren ist. Mögen auch sonst die Meinungen verschieden sein. Nach dem Konzert ein weiterer Mensch, der mir erzählte, dass er EA80 schon seit DDR-Zeiten kennt und dass die "heutige Jugend" doch gar nicht mehr weiß, wie viel die Wert sind und sie für "Emo-Kacke" halten. Oder der verheiratete Eigenheimbesitzer mit beinahe kompletter EA80-Sammlung, für den das Konzert in Leipzig bereits das 29. war.

Es gibt nur wenige Anlässe, die mich dazu bringen, mich jung - oder zumindest spätgeboren - zu fühlen. Unter diesen Menschen konnte ich kaum anders. So viele Jahre Faszination, die da aufeinander trafen. Gemeinsame Faszination. Denn ich kenne kein vergleichbares Phänomen. Auch wenn mir die Stürme gefühlsmäßig stets ein großes Stück näher standen, waren EA80 doch immer die kreativeren, philosophischeren, wandlungsfähigeren. Worte wie Faszination und Mythos sind albern. Immer. Aber manchmal stehen sie relativ allein auf weiter Flur, wenn in den Zigarettenautomaten der Stadt 25 Zigarettenschachteln auftauchen, die keinen Tabak, sondern Mini-CD's mit jeweils einem EA80-Song beinhalten. Keine Ahnung, ob an dieser Erzählung etwas dran ist, aber genau das macht ihren Reiz aus. Unberechenbar statt simpel konsumbefriedigend.

In Zeiten, in denen Bands ihre Band-Shirts bereits drucken lassen, bevor sie auch nur ein einziges Lied aufgenommen haben, ist es doch hübsch mit anzusehen, wie Urgesteine sich jeden Tag neu erfinden.

Dort wo sie am Freitag endeten, setzten sie am Samstag wieder ein. "Häuser" war das erste Lied des Abends und das komplette Gegenstück zum Vortag. Relativ schön, relativ kurz, relativ schmerzlos. Aber eben nichts Außergewöhnliches. Das war aber gar nicht schlimm. Mit "wieder einsetzen" meine ich, dass sie - bis auf die Lieder vom neuen Album - so gut wie kein Lied des Vortages wiederholten. "Was ist geblieben" war wieder dabei und möglicherweise noch eines oder zwei, die mir grad entfallen sind, aber im Großen und Ganzen ein komplett anderes Set.

Auch dieses Mal gab es einige von den ganz Großen - und einige die zu ganz Großen gemacht wurden. Dieses Mal war es eindeutig "Trashfest", welches mehr als nur groß wurde. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Nach dem dritten Lied bereits mit der Hand an der Bühne abgestützt und Luft geschöpft, was scheinbar so bedrohlich ausgesehen haben muss, dass ich von einer lieben Person nach meinem Befinden gefragt wurde (wobei deren fehlende Körpergröße wiederum in mir Besorgnis auslöste, bei all den großen und teils rabiaten Menschen, die sich da schubsten). Wie dem auch sei, so kann's gehen. Schon gehört mensch zum alten Eisen. Aber ist ja auch nicht schlimm. Ich könnte jetzt wieder ewig über Umgang im Pogo und regionalen Unterschieden philosophieren, stattdessen hole ich noch etwas nach, was ich schon längst hätte tun sollen: über das UT Connewitz schreiben. War seit Ewigkeiten nicht mehr dort und es ist immer noch so beeindruckend gewesen, wie das erste und einzige Mal bei Turbostaat. Das UT ist ein sehr altes, ehemaliges Kino, was noch immer durch die pompöse Bühne inklusive antik aussehende Säulen und Dach über der Leinwand, sowie vereinzelt am Rand stehenden Kinositzen und einer Empore deutlich wird. Eine äußerst hübsche Location, in der ich gern viel öfter wäre.

Zurück zum Konzert. Irgendwann riss Junge eine Saite, was ihn dazu brachte, die Geschichte aufzurollen, wie sie das erste Mal in Leipzig spielten. Damals noch zu DDR-Zeiten, offiziell als Messebesucher und ohne eigene Instrumente. Woraufhin sie dann in einem Leipziger Keller auf Steingitarren rausfanden, warum der Ostpunk ein wenig langsamer war. Was auch immer an dieser Story dran ist, ihre Vortragsweise war einfach begnadet. Da erzählt er aus dem Stegreif eine komplexe Geschichte inklusive aller Winkelzüge, nur um im Stil von: "aber solche Überbrückungsgeschichten sind immer doof, langweilen die Menschen zu Tode, die doch eigentlich die Musik hören wollen" zu enden. Auch wenn mein Gedächtnis beim genauen Wortlaut versagt, so war das doch mal wieder eine der illustren Szenen, die EA80 eben auch ausmachen. Keine einstudierten Ansagen, die sich ständig wiederholen, dafür ungewohnt lebendiger Situationismus.

Es folgten wie immer (in einer Reihenfolge, die ich beim besten Willen nicht mehr weiß) die Pause in der Mitte der Stücke, eine weitere Präsentation des German Folk Orchestras (das in Leipzig aber besser aufgenommen wurde), Stücke wie "Was ist geblieben" (das einzige auffällig doppeltgespielte Nicht-"Reise"-Stück), "Gugging" und "Innenraum", und viele bei denen ich mir grad unsicher bin, ob sie sie freitags oder samstags spielten. Aber das ist an sich auch nicht sonderlich relevant. Für was denn Listen machen, wenn doch das Gefühl allein zählt?

Besonders viel davon fabrizierte "Trashfest". Ist es schon so ein sehr ruhiges, sehr intensives, verhältnismäßig langes Lied, welches fast ohne Schlagzeug auskommt, so wurde es in der Live-Version auf das Doppelte gestreckt. Nein, gestreckt ist das falsche Wort, es wirkte sehr organisch und passend. Irgendwann, während das Stück immer mehr abflachte in der Lautstärke, sprang Junge von der Bühne und stand plötzlich inmitten der verdutzten, zurückweichenden Menge. Er ließ sich nieder und schlug mit dem Mikro den Takt auf dem Boden. Das klingt vielleicht bescheuert, aber das hat einen ungeheueren Eindruck auf mich gemacht. Erst Minuten später ging er wieder auf die Bühne und das Lied wurde beendet.

Viel mehr gibt es auch gar nicht zu sagen. Irgendwann endete es dann. Sie ließen sich nicht noch einmal zu einer Zugabe hinreißen und damit war es gegessen. Zur Übernachtungsmöglichkeit gelaufen und je später es wurde, desto leerer wurde der Kopf. Das Fassungsvermögen deutlich überschritten, blieb am Ende kaum noch etwas übrig. Eine heiße Dusche, dazu der leise Singsang "Was ist geblieben/ von dem was bleibt/ Einsamkeit" und Ende. Ausgelaugt und leer, es war vorbei.

Ein zauberhaftes Wochenende, dass sich in der Form wohl nicht so schnell oder auch nie wiederholen wird. Aber gut, dass es war. Prägendes Erlebnis. Wirklich.

Samstag, 31. Mai 2008

Sag den Anderen uns gehts gut, sag den Spacken uns gehts prima!

Rantanplan und Lochfrass im Lokal Berlin

Um es vorweg zu sagen: Ich mag keinen Ska. Ich mag absolut keinen Ska.

Und der nächste Satz beginnt dann schon mit einem großen "aaaaaaaber...".
Naja, wenn eine Ska-Band richtig gut ist und ich ordentlich betrunken, dann geht das klar. Ersteres erfüllte Rantanplan schon im Dezember im Tommy-Haus und für letzteres sorgte ich. Gute Mischung.
Viele liebe Menschen, viel getanzt, viel gegröhlt und viel Bier vernichtet. Jaja, das sind die Momente, die kein Leben verändern, es aber bereichern und mit ein wenig Glitzerstaub veredeln.

Wie jetzt? Rantanplan wieder in der Stadt? Wer kommt mit? Lass mal los gehn...

Gesagt, getan. Sterni aufgemacht und losgerockt. Die Stimmung bei uns eher mäßig. Panik, dass wir viel zu spät seien und das Lokal bereits überfüllt. In Ost-Berlin angekommen, erwies sich das als Trugschluss, kaum Leute, Bands noch am Equipment schleppen. Also die nächsten Biere rangeholt und mit weiteren Freund_innen und Bekannten zusammengetroffen. Nicht die Mob-Stärke wie beim letzten Mal, aber ein guter Teil des dann doch langsam zahlreicher werdenden Publikums wurde mal wieder von uns gestellt. Acht Euro an der Abendkasse, was für mein Empfinden zwar hart an der Grenze liegt, aber keineswegs zu viel für Rantanplan ist.

Noch paar Sterne in die Krone gedonnert und spontan entschieden, dass drei Lieder entschieden genug Würdigung für die Vorband waren. Also wieder raus. Lochfrass kommen aus Berlin und machen Deutschpunk. Allerdings keinen von der sonderlich kreativen oder auch nur politisch angenehmen Sorte. Blabla-Texte und dröge Musik ließen in mir den Wunsch nach Trunkenheit aufkeimen, dem ich mit Freuden nachkam. Dieses Kapitel mal schnell übersprungen, bauten dann aber auch endlich Rantanplan auf und warfen mehr als nur ihr Eigengewicht und das des Tourbusses in die Waagschale. Um's kurz zu machen: Dit war dicke.

Hatte ich mich im Dezember noch darüber geärgert, dass sie mein Lieblingslied nicht spielten, war es diesmal gleich eines der ersten: Hamburg 8° Regen. Hammerlied. Aber auch viele der anderen, die ich gern mag, kamen gleich zu Beginn, Thu den Ska oder Meine Liebe stirbt zum Beispiel. Lungen leer geschrieen und fein Pogo getanzt. Nach dem Konzert beschwerten sich Einige über den harten Pogo, ich fand ihn hingegen sogar richtig friedfertig (also bis auf die paar üblichen betrunkenen Idioten, die mich nach einer Straight Edge-Szene sehnen lassen...). Meine Wahrnehmung kann aber auch daher rühren, dass ich sonst nur in Hardcore-Moshs rumspringe...ja, könnte was dran sein. Planlos betrunken oder nüchtern brutal. Beides nicht so wirklich ideal, aber planlos betrunken war fürs Erste ok.

Beschwere ich mich sonst immer, dass Bands zu kurz spielen, bei Rantanplan war dies nicht der Fall. Auch wenn sie hätten endlos spielen können. Total fertig von der Theke ein Wernesgrüner geholt, während die Jungs schon ihr drittes oder viertes Tablett Mexicana bekamen und nach weiteren X Liedern, wollten sie dann gehen. Naja, wollten sie nicht. Ich weiß nicht wie viele Zugaben sie genau spielten, aber 10 als Richtwert, ist glaub ich nicht die falscheste Schätzung. Sie haben die Leute in den Lungenkollaps gespielt. Irgendwann wurden auch die hartnäckigsten Zugaben-Rufe wegtrompetet und bis auf das nicht erfüllte, aber viel geforderte "Atheismus", haben sie ALLES aufgeboten.

Vielfach völlig erschöpft zerstreuten sich die Menschen in alle Himmelsrichtungen, nur wir blieben noch vorm Lokal sitzen, ein kühles Bier fand wie durch Zauberhand die meinige und zwei müde Köpfe meine Schultern. Aus der rauhen Kehle fanden nur noch wenige heisere Worte Ohren. Vor der Nase hin und wieder die Straßenbahn und ein paar Autos, hinter uns leise die Pausenmusik (die ham Dackelblut gespielt, alta!) und über uns die wenigen Stadt-Sterne und ein Zacken gelber Mond. Keine Ahnung wie lange wir dort saßen, aber irgendwann hat alles ein Ende und so entschlummerten wir kurz darauf beinahe in den U-Bahnsitzen, nur abgehalten von einem alten betrunkenen Mann, der uns als Kinder vom Bahnhof Zoo betitelte und mehr als entsetzt davon schien, dass ich Motörhead kenne. Aber wenigstens wusste ich dann, dass ich wieder in Neukölln bin. Hat auch seine Vorzüge. Das Tourplakat noch immer in der Hand, die letzten Meter nach Hause und im dunkelsten was Berlin an Nacht zu bieten hat, den Mond beim abstürzen begleitet.

Fand ich Rantanplan das letzte Mal schon schick, so haben sie mich diesmal einmal mehr davon überzeugt, dass Ska auch geil sein kann. Natürlich sollte mensch nicht allzu p.c. da ran gehn, weil es dann eklig werden könnte. Aber diesmal fehlten auch die sexistischen Ansagen, so dass sinnfreies tanzen wohl die einzig sinnvolle Idee darstellt(e).

Toller Abend.

Montag, 26. Mai 2008

"Deine Hand wird zur Faust"

Escapado, It is imperative und Laura Mars im Cassiopeia Berlin


Soso. Also nun schlussendlich doch noch.
Eigentlich wollte ich Escapado ja schon am 9.12. vergangenen Jahres gesehen haben, die Tickets lagen auf dem Tisch und dann haben sie abgesagt. Krankheit. Super. Vergebens war dieses Konzert damals jedoch keineswegs, denn ich sollte eine andere sehr schöne Band kennen lernen: it.is.imperative. Aber zu denen später mehr.

Ich mag das Cassiopeia irgendwie nicht. Die Getränke sind so überteuert wie die Eintritte und es mag auch keinerlei Atmosphäre in diesem Kellerchen aufkommen. Warum weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich demnächst mehrfach dort sein werde aufgrund einiger vielversprechender Bands...

Den Anfang machten Laura Mars. Waren ganz ok, recht metallastig und extrem schnell wieder vergessen. Ich kann mich so gut wie nicht an sie erinnern, die anderen fanden sie ok, ich auch so irgendwie, aber zu viel Wand, zu viel Matsch, zu wenig Melodie und -wie gesagt- zu viel Metal. War sowieso mal wieder einer der polarisierenden Metal-Hass-Tage...

Und das "zu denen später mehr" hätte ich mir sparen können, denn da sind sie schon. it.is.imperative. Ich kannte sie das letzte Mal gar nicht, fand sie unglaublich schick und diesmal sogar noch mehr. Machen verdammt hübschen Screamo mit wahnsinnig schönen (Bass-)Melodieläufen, was mit den Live-Qualitäten der Jungs so gut harmoniert, dass sie wohl in der Screamo-Ecke bald ganz oben mitmischen werden. Da passt einfach alles. Und auch wenn ich die Texte noch nicht vollständig entschlüsseln konnte, ich glaub da steckt so Einiges dahinter...zumindest das Verständliche wirkte in einer angenehmen Weise politisch angehaucht.

Ja, und nachdem das Cassiopeia nun fast vollständig gefüllt war, konnten die Leute auch ungestört ihrer Unart nachgehen, sich nur zur Hauptgruppe des Abends zu bewegen und den anderen Bands, in stillem Warten und Halbkreis vor der Bühne, Langeweile zu zollen. Positiv gewendet heißt das aber auch, dass zu Escapado was ging. Allerdings auch gleich wieder in einem unangenehm mackerlastigen Bollo-Mosh. Aber hey, gab ja auch noch Musik.
Escapado stehen nicht zu Unrecht auf einem großen Haufen aus Lorbeeren, denn was die da abgeliefert haben, konnte sich mehr als nur sehen lassen. Feste Szenegröße halt.

Weiß gar nicht so genau was ich dazu schreiben soll. Sehr elektrisierend, sehr bewegungsfördernd und plötzlich fallen mensch dann auch wieder Textfragmente ein, die wohl bisher scheinbar das Unterbewusstsein eifersüchtig vor dem Gedächtnis verborgen hielt. Schön viel Schreien, schön viel bewegen, schön viel genießen.

Zwei Zugaben und einen Hörschaden (verdammt war das laut...) später, war es dann auch schon vorbei. Gutes Konzert.

Samstag, 12. April 2008

Komm ma lecker unten bei mich bei...

Eisenpimmel, Fahnenflucht, Rasta Knast, Chefdenker im Beatclub Dessau

Um jede Einleitung verlegen, beginne ich einfach mal mit der Schilderung der Ereignisse.
Was kann Studierende, arbeitsscheue Hartzis und gut verdienende Punks dazu bringen, sich in ein enges Auto zu quetschen, nach Sachsen-Anhalt ("Wir stehen früher auf" - ich sag nur, selber schuld...) zu fahren und dort der marodierenden Stadtjugend beim Untergang zuzuschauen?

Richtig: Eisenpimmel.

Ich konnte mir dieses Phänomen nie erklären und kann es auch jetzt noch nicht. Eisenpimmel findest du entweder bodenlos bekloppt und übergibst dich bei ihren Liedern vor Ekel oder du findest sie zum Brüllen komisch und übergibst dich, weil du mal wieder zu viel gesoffen hast. Dabei ist es scheinbar auch völlig egal, welchen politischen oder weltanschaulichen Hintergrund die Menschen haben...aber dazu werd ich später noch kommen.

Pöbel & Jesocks einjesackt und in Berlin losjeheetzt...nein, lieber auf deutsch.
Schnell noch zu Reichelt und die Linien zwischen konservativ und wagemutig am Bierkauf festgemacht (gutes, altbewährtes Sterni contra Reichelt-Pilsener...erstaunlicherweise waren alle mit ihren Entscheidungen zufrieden und der Kasten in Dessau alle).

In Dessau ewig rumgegurkt und das Grauen bekommen vor der Jugend dort, die in Scharen samstagabends um Neun auf dem Netto-Parkplatz abhängt und selbst am und im Beatclub die obskursten, angsteinflößenden Menschen. Als da wären Skins mit Stiefeln und weißen Schnürsenkeln, geschniegelte Hemdenträger mit Seitenscheitel, Brille und eben denselben weißgeschnürsenkelten Tiermordprodukten (da tut mir die Kuh ja gleich doppelt leid wegen so nem Möchtegern-NPD-Kader look-a-like gestorben zu sein), dazu "Haare schneiden tut nicht weh"-Shirts und da ganze Arsenal an dörfischer Stumpfheit. Ich hatte schon fast vergessen, dass auf dem Dorf selbst die selbst erklärten Anti-Nazis noch lange keine
Antifaschist_innen sind...

Das unverschämt teure Bier ließ uns fast verdursten, bis - heldenmutig wie immer - unser Fahrer Nachschub von der Tanke organisierte. Los gings eh noch nicht. Reservierungen wurden einfach mal ignoriert, weil eh nur eine Hand voll Leute in Dessau zu den Bands wollten (oder es vielleicht irgendwelche innerstädtischen Konflikte gibt, in die ich keinen Einblick hab...), überhaupt war das ein ganz schöner Kommerz-Tempel mit grimmigen Securities, Ganzkörperkontrollen und - den schon erwähnten - astronomischen Bierpreisen.

Jedenfalls bespaßten als Erste Chefdenker das überschaubare Publikum und das nicht zu enthusiastisch. Der Sänger sah ziemlich fertig aus, keine Ahnung, was ihm fehlte oder was der genommen hatte. Da sich einige von uns sehr auf die gefreut hatten, gab es erstmal hängende Köpfe, nur bei "Filmriss" und "Ich hab mir Fuck off auf den Arsch tätowiert" konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mal ein wenig im spärlichen Pogo rumzuhüpfen und mitzugröhlen. Hach ja, da werden Erinnerungen an die Deutsch-Punk-Vergangenheit wach. Chefdenker hab ich auch schon mal auf dem Force Attack 2006 gesehen. Da waren sie allerdings deutlich lustiger, motivierter und - vielleicht lag es auch nur an der Entfernung zur Bühne - jugendlicher. Was zwei Jahre ausmachen können. Routiniert runtergespielt und abgehauen. Das wars.

Wir hatten uns im Vorfeld schon so unsere Gedanken gemacht, wie denn wohl die Running-Order sein dürfte. Wir haben uns ausnahmslos alle getäuscht. Denn schon nach Chefdenker "enterten" Eisenpimmel die Bühne und waren nicht nur verdammt großartig, sondern lieferten auch viel Diskussionsstoff. Während des Auftrittes erst einmal Desillusion - "Oh Mann, die sind ja wirklich so Assi, wie die klingen" - "Da ist ja kein bisschen Ironie dabei" und so weiter und so fort. Aber am nächsten Nachmittag änderte sich die allgemeine Meinung schlagartig und plötzlich wurden all die kleinen Details offensichtlich. Siggi Kotlewski (schreibt er sich so?), Sänger und selbstbekennender Assi, kam mit Kasten und Klappstuhl auf die Bühne, nicht zum singen, sondern zum sitzen und saufen. Doch der halbvolle Kasten wurde während des Auftrittes nicht leerer und viele der "asozialen" Elemente können auch einstudiert sein - so ist sein Gesang die ganze Zeit recht verständlich, aber am Ende eines jeden Liedes muss er noch irgendwelche Geräusche von sich geben...die Jeans-Jacke, die er trug, komplettierte die Inszenierung, hinten drauf "Duisburg Super Rock", vorne drauf mit Edding "ficken" und irgendwelche schlechten Patches und Buttons.
Bärbel, die "Sängerin" bzw. pöbelnde Stimme im Hintergrund, mit dicker Federboa unterwegs, der Rest der Band, relativ bieder.

...und sie spielten alles. Auch wenn das Publikum nur in Bruchteilen unserer Euphorie folgen konnten, aber von "Komm ma lecker unten bei mich bei", "Schwarzfahren und saufen", "Dicke Eier - Weihnachtsfeier" bis zu den absoluten Gassenhauern "Malle Mallorca" und natürlich "Duisburg ist spitze" war alles vertreten.

Mir haben Sie außerordentlich viel Freude gemacht - ob nun authentisch oder nicht, ich glaub das ist weder restlos ergründbar, noch so leicht zu trennen. Die Antwort wird wohl irgendwo dazwischen liegen.

Herausragend auch "Ich Arsch hab mir Fleisch gekauft", wobei unsere kleine Vegan-Front wohl am Lautesten "Schinken, Mett, Schnitzel und Kotelett" gegröhlt haben dürfte...nicht auszudenken, wenn ich dieses Lied ernst nehmen müsste...aber solange die Formel trash as trash can aufgeht und politische Korrektheit weiterhin ein so willfähriges Opfer abgibt, werde auch ich Eisenpimmel (und die Kassierer als deren Brüder im Geiste) wohl nicht das letzte Mal begröhlt haben.

Danach sollten Rasta Knast spielen. Da aber die ersten drei Lieder total gleich klangen, wurde dem Bier im Kofferraum Vorzug gegeben. Vermutlich nicht die schlechteste Entscheidung.

Den Headliner gaben Fahnenflucht und als die ersten leisen Anti-Nazi-Ansagen so die Runde machten, waren einige der zweifelhafteren Gestalten plötzlich verschwunden. Was'n Zufall.
Fahnenflucht wirken auf mich immer ein wenig steif, alles einen Hauch zu routiniert. Aber das muss ja kein Nachteil sein. Denn sie zogen ihr Programm mehr als souverän durch. Keine Hänger, keine Langatmigkeit. Die Einstudiertheit hat auch so ihre Vorteile und so kommt mir bei denen ja schon fast ein "grundsolide" über die Lippen, wüsste ich nicht, dass dieses Wort den funktionierenden Elementen der Gesellschaft mit all ihren perversen Ausdrücken von Norm vorbehalten ist.
Also guter, lieber Punkrock mit viel Melodie und Texten, die zumindest angenehm sind und klar Stellung beziehen - auch bei den Ansagen. Da das ja leider keine Selbstverständlichkeit in der Ecke ist, will ich mit ihnen auch gar nicht zu hart ins Gericht gehen. Ist persönlich nicht so mein Highlight gewesen, aber gut sind sie auf alle Fälle und für einen versöhnlichen Abschluss des Abends haben sie auch gesorgt.

Aufgewacht dann erst wieder in Berlin und den Ausflug in den wilden Osten nicht bereut. Auch wenn die nächsten Tage von Reflexionen über "links"-Sein in provinziellen Kontexten reserviert waren...

Freitag, 4. April 2008

Die Kleingeldprinzessin und die Stadtpiraten

Ein kräftiger Schluck aus der dunkelbraunen Flasche mit dem Sternburg-Export-Emblem, dessen Inhalt das Sinnbild des Abends werden sollte. Schal, ungewohnt bitter und vermutlich über dem Verfallsdatum, doch zu bekannt und wohl nur eine einzelne Geschmacksverirrung - nichts was die Verbundenheit so leicht ausmerzen könnte. Das nächste Mal wird es halt besser.
Ja, das wäre ein schönes Bild, doch es ist mehr ein Wunsch, denn Realität. Nicht für das Bier, aber für das Konzert. Und die folgenden.
Viele Schritte waren schon in der lauen Kreuzberger Nacht verklungen, bis meine Begleiterin das Schweigen brach: "Wir haben unsere Kleingeldprinzessin verloren". Ich stimmte ihr ohne Zögern zu.

Das Lido, unweit vom Schlesischen Tor, ließ durch mangelndes Organisationsgeschick bereits im Vorfeld jede Vorfreude von der Skala stürzen. Kurz vor offiziellem Konzertbeginn zog sich eine lange Schlange von Wartenden durch die Straßen. Karteninhaber_innen durften sich darin auch einreihen, bis andertalb Stunden nach Einlassbeginn endlich auch wirklich Menschen hineingelassen wurden - bevorzugt jene mit Tickets. Zum Glück trieb mich mein Bauchgefühl zwei Tage vorher in den Ticket-Shop, allerdings kann ich mich mit so einem Diskotheken-Stil überhaupt nicht anfreunden. Security-Monster, lange Warteschlangen, Menschenmassen - und die Art der Zusammensetzung des Publikums, nein, das war nicht meine Welt. War ich die vergangenen Wochen und Monate fast nur auf subkulturellen HC- und Punkkonzerten unterwegs, wurde mir schnell wieder bewusst, warum das so war. Linksliberales, bürgerliches Gutmenschentum zwischen 20 und 30, welches schön am Geisteswissenschaften studieren ist und zwischen parteigebundenem hochschulpolitischem Engagement, Greenpeace-Solidarität und Fair-Trade-Kaffee eine bessere Welt herbeihalluziniert für die sie alle nicht im Geringsten bereit sind, den Preis zu zahlen. Das beste Beispiel mag wohl Dotas "Immer die Andern" gegeben haben. Jene, die am Lautesten mitgeschrieen haben, werden wohl selbst dem beschriebenen Verhalten folgen. Ich schwieg. Auch weil ich wusste, dass ihr Lied nicht nur das von mir angefeindete Restpublikum trifft - auch wenn ich meine, dass ich schon etwas weiter als jene sein mag.

Wie dem auch sei. Die Dota, die war so wie immer. Es war sehr hübsch anzuschauen, was sie da fabriziert hat, aber es waren auch die selben Ansagen wie jedes Mal. Diesmal ein wenig abgewandelt, da es die neue Tour war.

Was mich an ihren Konzerten und Liedern immer so unglaublich ins Schwärmen bringt, sind ihre Texte. Sie geht so unglaublich virtuos mit der deutschen Sprache um, wie kein_e Zweite_r. Es ist einfach atemberaubend, wie sie Worte kreiert und aneinanderreiht und Bilder erschafft, die nicht nur zauberhaft und originär, sondern auch plastisch und nachfühlbar sind. Sie ist eine wahrhafte Künstlerin. Umso bedauerlicher, dass ihr Klientel immer mainstreamiger wird. Umso bedauerlicher, dass diese Tendenz in ihren Liedern auch ebenso angelegt ist.

Dass auch ihre neuen Lieder - die anlässlich der Record-Release-Show - auch wieder den hohen Standards entsprechen, ändert nichts daran, dass sie in meinen Ohren eine Nuance kälter klingen. Sie sind schön - keine Frage - aber nicht so schön, als dass ich mir die CD hätte kaufen wollen. Nein, irgendwie ist es nicht mehr dasselbe.

Und das eine Lied, welches ich vorm Einschlafen und nach dem Aufwachen im Kopf hörte, ist laut ihrer Aussage nicht mal auf der CD enthalten und noch nicht mal aufgenommen. Schade, denn es war wirklich wunderschön. Und einer der wenigen Gründe ihr noch immer die Treue zu halten.

Die Lieder gingen ins Land und irgendwann kam dann auch schon "öffentlicher Nahverkehr" als Zugabe und Dota und die Stadtpiraten waren hinter der Bühne verschwunden.
Alles in allem ein wirklich miserabler Abend.
Ich hoffe mein Bild wird irgendwann einmal wieder positiver.

Samstag, 29. März 2008

Vitamin X, Dean Dirg, Everything falls apart, Liberty stands still im Zoro Leipzig

Unausgeglichen? Ständig müde? Keine Energie für gar nichts? Klarer Fall von Vitaminmangel - genauer gesagt: dir fehlt Vitamin X.

Zur Bekämpfung der Mangelerscheinungen werden intensive Behandlungen mit Live-Geballer, textsicheres Mitschreien und viel Bewegung im Pit empfohlen. Bereits nach einer abendlichen Anwendung zeigt sich eine deutliche Besserung der beschriebenen Symptome.


Ok, pseudo-kreative Einleitung, aber wenn Vitamin X in der Gegend ist, dann nichts wie hin. Dacht ich mir auch und hab mir ein Wochenende im wunderschönen Leipzig gegönnt.

Sehr sympathisch bereits der Veranstaltungsort. Ich für meinen Teil war das erste (und ganz bestimmt nicht das letzte) Mal im Zoro. Ein altes Fabrikgebäude, in dem auf vielen Etagen in vielen Projekten selbstverwaltet gelebt und gewirkt wird. Ohne jetzt viele Worte verlieren zu wollen, führte eine so simple wie angenehme Regelung selbst für die ersten Bands zu einer vollen Halle. Vor zehn Uhr vier Euro, danach sechs Euro. So hatten bereits Liberty stands still aus Zittau als erste Vorband die Chance viele Menschen zu begeistern. Und die haben sie vor ausverkauftem Haus auch voll genutzt. Schön melodischer Hardcore neuerer Prägung, der zwar noch keine großartige Bewegung ins Publikum brachte, aber doch nett anzuschauen war und sicher nicht nur bei mir eine positive Erinnerung zurückließ.

Anders als Everything falls apart aus den Vereinigten Staaten. An die kann ich mich musikalisch überhaupt nicht mehr erinnern. Ich weiß von ihnen nur noch, dass der Sänger sehr oft durchs Publikum gerannt ist und sich vermutlich unter den von ihm angeschrieen Menschen nicht viele Freund_innen gemacht haben wird. Durchschnittlicher Hardcore ohne hohen Wiedererkennungswert möcht ich mal meinen, anders kann ich mir kaum erklären, dass ich von denen überhaupt nichts mehr weiß...

Bevor ich weiterschreibe: ich hatte ja bereits den vorhergehenden Freitag mit Undressed Army Gelegenheit, mich mit dem Humor des Ruhrpotts bzw. der umliegenden Gegend auseinanderzusetzen. War ich schon von Undressed Army begeistert, so stellten Dean Dirg das sogar noch in den Schatten -
und dafür brauchen Dean Dirg noch nicht einmal Verkleidungen.

Der Sänger sieht aus wie der leibhaftige Doppelgänger von Wolfang Petry, der Atem wurde mit Pfeffi künstlich erfrischt, die Witze blieben allerdings trotzdem schlecht und bereits ab der ersten Sekunde bebte der Pogo-Mob. Knallt einfach, diese rotzige Mischung aus '77-Punk, Old-School-Hardcore und Stilen, von denen ich nicht den blassesten Schimmer hab plus Texte, die zumindest soweit ich sie kenne verdammt cool sind und sich ganz bestimmt nicht in diesem neuen Mainstream-Bollo-Blabla verlieren dürften.
Lieber Trucker als Tough Guy. So siehts aus.
Und keine fünf Minuten später fand sogar ich mich pogo-tanzend vor der Bühne wieder. Was schon was heißen will, da ich auf Konzerten in letzter Zeit immer öfter bewegungsunfreudig beim "Rumjewackl" verblieben bin. Aber vielleicht lag das auch daran, dass ich in letzter Zeit kaum noch auf wirklich arschtretenden HC-Shows war, bei denen entweder überhaupt nichts oder nur tough-guy-shit ging.

Dean Dirg brachten die Etage buchstäblich zum kochen. War es vorher etwas kühl, lief der Schweiß nun in Strömen und die Skala für kollabierende Lungenflügel schlug irgendwo zwischen "Pogo-in-den-Untergang" und "ich sollte meine Kehle mit einem erfrischenden alkoholfreien Getränk befeuchten" aus. Sehr sehr dicke Show. Und wenn wir schon bei dicker Show sind -

Vitamin X gabs ja auch noch. Ich hatte sie letztes Jahr bereits im Rahmen des Sucks 'n' Summer-Festivals in Leisnig im AJZ gesehen und war hellauf begeistert gewesen.
Tja, und was soll ich sagen. Der Eindruck wurde gestern in keinster Weise revidiert, höchstens aufgefrischt. Die meisten Lieder nicht länger als 1:30 (wenn überhaupt), ultraschnell und verdammt sympathisch. Volle Pulle Old-School-Hardcore inklusive Stirnbänder und den dazugehörigen Idealen. Unglaublich energiegeladene Hochgeschwindigkeitsmucke zwischen Pogo-Explosion, Circle Pit und der Konfusion, wie Bewegung unter diesen Bedingungen noch möglich ist. Ich weiß auch nicht, wie ich das noch weiter beschreiben soll, aber das was die Jungs da abgeliefert haben, kommt meinen Vorstellungen von einer idealen Hardcore-Show schon sehr nahe. Heftige Musik, politische Aussage und nen dicker Pogo-/Mosh-Pit. Wurde zum Ende hin zwar leider wieder etwas rabiater (und natürlich waren's dann auch wieder bloß Typen im Pit), aber trotzdem sehr sehr geil. Durchgeschwitzt, heiser geschrieen und kurz vom Kollaps. So sieht das Ergebnis einer guten Show aus und genau so sah es an diesem Abend auch aus.

Fettest!

Samstag, 22. März 2008

Sidetracked, Undressed Army und Reject in der Köpi

21.03.2008. Köpi. Koma F.

Von mehreren Seiten auf dieses Konzert hingewiesen, traf ich, so wie es mir in der Köpi eigentlich jedes Mal passiert, viel zu früh ein. Diesmal war es bei mir eine Stunde nach regulärem Beginn, eine halbe Stunde später sollte es dann tatsächlich los gehen. Also schnell noch das Warten mit ein paar unglaublich zuckerhaltigen, unglaublich leckeren veganen A.L.F. Soli-Muffins versüßt, während Reject aus Leisnig anfingen ihre Instrumente zu stimmen. Während ihres Auftritts hab ich mehrmals überlegt, ob ihr Hardcore nicht wirklich eine regionale Besonderheit aufweist. Zumindest einen dicken gemeinsamen Einschlag müssen sie haben, die ganzen Bands aus Rosswein, Döbeln, Leisnig und Umgebung. Denn ihre Art zu spielen ähnelt sich in verblüffender Weise. Reject waren nett anzuschaun, die Mucke gefällig, aber es war auch nicht viel mehr. Schuld daran war natürlich nur das Nicht-Spielen ihres Saft-Liedes ("we don't like beer, we want juice!"), auf das ich mich schon gefreut hatte. hihi.

Undressed Army aus dem Pott sollten folgen und die waren einfach mal nur schräg. Nicht nur, dass der Sänger im Pikachu-Kostüm auf der Bühne stand, welches er - der Größe nach zu urteilen - aus irgendner Kinderabteilung geklaut hat, auch der Bassist war sehr "schick". Das deutlich zu kurze, enganliegende David Hasselhoff-T-Shirt war vermutlich aus der selben Kinderabteilung, so dass sein entblößtes Körperschwerpunkts-Speckdepot sogar vom feschen Wickelrock samt Strumpfhose ablenkte.

Die Begrüßung des Publikums erfolgte mit "Hallo, wir sind Born from Pain aus Stuttgart" und in dem Stil sollte die ganze Show ablaufen. Zum Schreien komisch - wenn auch öfters mal recht grenzdebil. Aber das scheint im Pott so üblich zu sein. Mindestens so prollig, wie selbstironisch, mindestens so atzig, wie derb im Humor und irgendwo zwischen Lachnummer und cooler Aussage. Jedenfalls bespaßten sie das (kaum vorhandene) Publikum ne ganze Weile mit ihren deutschpunkbetexteten Hardcore-Songs und das machte unglaublich Laune. Und selbst der betrunkene Punk, der "Ihr seid scheiße" schrie, wurde mit einem launigen "Ja, das mag deine Meinung sein. Ist uns aber total egal" abgefertigt. Coole Band. Auf jeden Fall.

Den Headliner mimten Sidetracked, die kommen auch irgendwo ausm Pott. Der Bollo-Faktor gleich ungemein höher, auch kein Vegan-Button an der Gitarre wie Undressed Army, dafür ordentlich Bier und so klangen dann auch Ansagen wie Musik. Anlässlich des Karfreitags wurden den Stücken so Titel wie "Christen fisten" und "Katholiken fieken" gegeben und wenns halt mal mitm Einsatz nicht klappt, wird halt noch mal probiert - gern auch mehrmals. Die kämen garantiert nüchterner ein wenig besser rüber, so war es aber nur das übliche New-School-Bollo-HC-Gerumpel mit lustigen Ansagen. Naja.

Alles in allem ein lohnender Abend, auch wenn Undressed Army im Alleingang für dieses Urteil verantwortlich sind.

Samstag, 8. März 2008

The Dillinger Escape Plan + Poison the Well + Stolen Babies im Kato Berlin

7.3.2008 The Dillinger Escape Plan + Poison the Well + Stolen Babies im Kato Berlin

Vielleicht sollten das nächste Mal die Tickets mit Warnhinweisen versehen werden a la "Achtung: kann epileptische Anfälle verursachen" oder "kann zu dauerhafter Schädigung des zentralen Nervensystems führen" - zumindest kann ich mich nur noch bruchstückhaft an den Auftritt von The Dillinger Escape Plan erinnern und erst so langsam kommen die Erinnerungen wieder. Was ich von dem Konzert halten sollte, weiß ich trotzdem noch nicht so genau. Zumindest weiß ich aber nun, dass der Titel „The Best Live Band on the Planet", den ihnen die Zeitschrift Kerrang! gab, keine Übertreibung ist...


Aber von vorn. Dank mieser Organisation waren bei unserem Eintreffen die Stolen Babies bereits mit ihrem Set durch und bauten gerade ab, dabei war es erst kurz nach Neun. Ich hab es glaub ich noch nie erlebt, dass ein Konzert, bei welchem dies nicht ausdrücklich gesagt wurde (und selbst da kaum), zu früh oder pünktlich beginnt. Sehr obskur und so kann ich von denen nur sagen, dass sie sehr schicke Kostüme tragen...

Danach waren dann irgendwann Poison the Well dran. Hatte die immer eher in die Emocore-Ecke gesteckt, aber auf dem Konzert zeigten sie, wie toll sie doch Metal und Bollo-Hardcore kombinieren können. Dementsprechend war auch das Publikum drauf und auch wenn sie nicht wirklich schlecht waren, hat mich das Ganze ermüdet und angeekelt. Das kommt dabei raus, wenn mensch Hardcore/Metalcore auf Grund seiner Härte hört und damit keinerlei politische Grundpositionen bzw. Weltanschauungen verbindet. Schlägereien im Moshpit, aggressive Stimmung, Poser, Stylos, Bollos und biertrinkende Brutalos. Na klasse...fehlt nur noch, dass Make it count gleich noch spielt. Aber nun ja. Über was die Band gesungen hat, wurde mir als Nicht-Fan nicht ersichtlich, Ansagen gabs auch bloß im Stil von "schön, dass ihr hier seid", also scheinen die auch nicht so wirklich wert auf Aussagen zu legen. Ich weiß schon warum ich solche Konzerte mittlerweile meide. Sei's drum. Aus den Augen, aus dem Sinn, denn heute war ich aus einem anderen Grund hier. Und dieser lautete The Dillinger Escape Plan.

Nach einer ewig anmutenden Umbaupause lag der Konzertsaal irgendwann in tiefer Dunkelheit und (fast) undurchdringlichem Nebel. Ein paar umgebaute Mesa-Verstärker warfen abwechselnd blinkend und stroboskopartig weißes Licht in den Raum, aus dem Off schwoll Musik an und fünf kaum sichtbare Gestalten betraten die Bühne - das sollte sich auch während des gesamten Konzertes kaum ändern. Welche Eingebung auch immer es mir verriet, ich wusste, dass sie nur mit einem einzigen Lied beginnen konnten und als sie es dann schließlich taten, hatten sie mich bereits für sich gewonnen. Panasonic Youth. Dazu warfen die Flutlichtmaschinen so starkes rotes und grünes Licht in die Menge, dass das gesamte Blickfeld eingefärbt war. Und das in unglaublicher Geschwindigkeit, so dass die Lichtblitze Assoziationen an flackernde Monitore oder einen kaputten Fernseher aufkommen ließen und kollabierende Massen provozierten.

Die nachfolgenden Lieder waren mir teilweise bekannt, teilweise unbekannt, aber...es machte keinerlei Unterschied. Die Wände aus Musik, die Breaks, die vielen Tempi-Wechsel, die Riffs, dazu das Licht - es war einfach nicht fassbar. Es ging nicht in den Kopf hinein. Überfordernd und überkomplex sind die beiden Worte, die mir dazu als erstes einfallen, jedenfalls "Über-". In diesem Stil blieb das gesamte Konzert. Kurze Verschnaufpausen mit langsameren Passagen und dann aber auch gleich wieder gut strukturiertes Chaos. Dieses Erlebnis wird im Wikipedia-Artikel zur Band ganz gut
zusammengefasst:

...ein Autor der Zeitschrift Visions drückte es so aus: „Boah, sind die anstrengend", nölt's unbegeistert aus allen Ecken, während die Krachcore-Vorband auf der Bühne Wahnsinn und Weltuntergang beschwört. Liam Wilson räumte in einem Interview ein: „Ich glaube, wenn man uns nicht kennt und eines unser Konzerte besucht, kann das schon eine relativ schockierende Erfahrung sein."

Und in mir wuchs derselbe Eindruck und das obwohl ich meinte die Band zu kennen. Schockierend. Das trifft es ganz gut. In diesem Sinne aber auch bewusstseinserweiternd. Denn so etwas habe ich noch nicht erlebt. Gegen Ende des Konzertes zeigte die Band dann nochmal, dass das Label "Wahnsinn" nicht bloß auf ihre Musik passt, denn Sänger und ein Gitarrist der Band waren dabei, die Rohre an der Decke des Raumes als Kletteranlagen zu missbrauchen und sich durch den Raum zu hangeln, während der andere Gitarrist erst einmal im Alleingang den Moshpit aufräumte.

Jedenfalls sehr verstörend das Ganze. Verstörend und bereichernd. Und je länger ich über dieses Erlebnis nachdenke, desto faszinierender finde ich es. Wahnsinn im besten Sinne.

Vergleiche ich das Gestrige nun mit dem Konzert der anderen festen Institution im Mathcore/Chaoscore-Genre Converge, so haben jene eine komplett andere Art ein Konzert zu geben. Keine Epilepsie-Lightshow, eigentlich überhaupt keine Show, sondern stattdessen in bester Hardcore-Manier Equipment auf die Bühne und die Songs runterrotzen, was das Zeug hält. Auch wenn sie damit wesentlich authentischer sind, sie wirkten nicht im Ansatz so verstörend wie The Dillinger Escape Plan. Dabei ist die Musik von Converge noch wesentlich tiefer in ihrer Emotionalität und der Darstellung von Wahnsinn und Sickness. Als ich sie sah, war ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen und es war ein großartiges Konzert. Wenn ich direkt vergleichen müsste, würde ich mich wieder für ein Converge-Konzert entscheiden, denn ich mag ihre direkte ungekünstelte Art. Allerdings muss auch gesagt werden, dass ich The Dillinger Escape Plan auf der Fünf-Stern-Skala ne glatte Fünf gibt, Converge dagegen nur eine Vier (aber das war auch widrigen Umständen des Konzertes geschuldet und wird sich dann im August, wenn auch sie im Kato spielen, sicher noch einmal ändern).

Gnadenloser Wahnsinns-Höllenritt-Abend, der jeder blöden Death-Metal-Band das Fürchten lehren würde...


Fünf von Fünf Sternen.

Samstag, 23. Februar 2008

All for nothing, Colored Minds, Keep it alive, Predict, the Weight

Review: All for nothing, Colored Minds, Keep it alive, Predict, the Weight am 22.02.2008 im AJZ Leisnig

Es stand also mal wieder ein lauschiger Hardcore-Abend in der alten Nachbarschaft an und eigentlich veranlasste mich nur Predict zum Kommen, den Rest kannte ich nur durch Myspace-Seiten. Jedoch überzeugte mich das dort Gehörte dann endgültig, dass es gut werden würde. Also nichts wie hin.

Etwas erschrocken war ich über stolze 10 Euro Eintritt. Kannte ich so nicht vom AJZ, aber vielleicht sind paar Bands davon ja auch bekannter als ich weiß, keine Ahnung.
Leider war es auch dementsprechend schlecht besucht und ich hab auch kaum bekannte Gesichter unter den Anwesenden entdeckt.

Dafür war es musikalisch um so besser. Auch wenn, wie üblich, im AJZ ohne Papiertaschentuchgehörschutzmaßnahmen nichts ohne das Risiko dauerhafter Schädigung geht...aber das nur am Rande.

The Weight aus Forst (Süd-Brandenburg) legten los und konnten mich auch gleich überzeugen. Angenehme Musik und irgendwie einfach geil...haben uns dann auch gleich das neue erschienene Demo-Tape für die Rückfahrt geleistet und es stellte sich schon erste Befriedigung ein. Endlich mal wieder ein ordentliches HC-Konzert mit relativ niedrigem Bollo-Faktor.

Predict machten da weiter, wo The Weight aufhörten. Viele ehrliche, politische Ansagen und durchweg verdammt fette Musik und sympathische Aussagen. Viel mehr kann ich kaum schreiben...außer vielleicht, das bald ihre erste Demo-CD rauskommt und ich die mir doch gleich holen werde ;-)
Ach ja, und wie für uns Berliner_innen typisch, natürlich am Merch-Stand gleich mit nem dicken Tshirt am Start, aber noch keine Aufnahmen draußen. So muss das sein, hehe...

Danach gings mit den extrem jungen RDL-"Lokalmatadoren" Keep it alive weiter. Nichts Neues, tausend Mal gehört...und immer noch schön! Warum soll denn jede Band das Rad neu erfinden? Die Jungs haben sichtbar Spaß an ihrer Musik und so soll dit ja ooch sein, wa....solider HC vom Szenenachwuchs. Da kommt garantiert noch was Größeres in paar Jahren aus der Ecke.

Das erste Mal wirklich textsicher mitgröhlen konnte ich an diesem Abend allerdings erst beim Intro von Colored Minds. Licht aus und plötzlich dröhnt da "Verdammt ich lieb dich" von Matthias Reim aus den Boxen. Da ich ansonsten auch voll auf Bad-Taste/Trash-Parties stehe, musste mich das natürlich begeistern. Nicht minder gut, ging es dann weiter. Die vier aus Liechtenstein (auch Sachsen) hatten an diesem Abend ihre Record-Release-Show und für meine Begriffe wirkte das alles schon recht professionell, was sie da auf die Beine stellten...zumindest musikalisch. Die Texte auf der Myspace-Seite sind nun nicht gerade das Höchste der Gefühle, aber die versteht mensch ja bei so ner Show eh nich (also schön Scheuklappen anlegen und so...).

Während ihrem Set gab es noch ein kleines Ständchen für ein Geburtstagskind und irgendwann kamen dann auch mehrere noch dick eingepackte Gestalten mit schweren Rucksäcken ins AJZ gestürmt. Die Menschen von All for Nothing aus Rotterdam (NL) haben auf ihrer Fahrt scheinbar etwas länger gebraucht. Krass war dann allerdings im Vergleich zu den anderen Bands, der Grad an Organisiertheit. Da wurden Tonnen an Equipment rangeschleppt, die ganze Bühne umgestaltet und trotzdem gings dann relativ flott los. Auch musikalisch. Dicke Musik routiniert von sympatischen Menschen runtergespielt. Leider waren schon viele Menschen gegangen, so dass es stimmungsmäßig nicht mehr wirklich bergauf ging.
Ach ja, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass All for nothing eine Sängerin haben. Ist ja gerade im HC ne Seltenheit. Auch das Publikum war fast ausschließlich männlich....nun ja. Nix Neues. Und so schön ich die Ansagen gegen Sexismus auch fand, es hat Gründe, dass da fast bloß Typen rumspringen.


Alles in allem ein schöner gediegener Provinz-HC-Abend. Seit Sachsen das Rauchverbot hat und meine bevorzugten Konzertorte fast jedes Mal veganes Essen anbieten ist das noch angenehmer. Gerne wieder.

Nur die Coca-Cola-Produkte stören mich immer noch und werden es wohl auch noch auf absehbare Zeit tun...so blieb ich denn doch bei Wasser, bevor das The Weight-Tape uns über dunkle Landstraßen zurückknüppelten.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Senore Matze Rossi und Gaston im Flower-Power Leipzig

20.2.2008 Senore Matze Rossi & Gaston im Flower-Power Leipzig

Bereits viele Wochen zuvor begann das Grübeln. Das Grübeln, dessen Ursprung in jenem unglückseligen Abend seinen Ausgang fand, an dem Senore Matze Rossi zusammen mit Turbostaat im Conne Island (ebenfalls Leipzig) spielten und mich beide Bands so bodenlos enttäuschten. Turbostaat hatte einfach mit dem Major-Deal auch ihre Musik und Textlichkeiten gewandelt, der Matze - D.I.Y. wie eh und je - nur wieder eine härtere Gangart gefunden, die mich nicht für sich zu gewinnen vermochte. Denn sie klang für mich wie ein schlechter Neuaufguss von Tagtraum. Damals.

So stand die Entscheidung im Raum, ihn in Leipzig zu sehen und nur durch Zufall (es sah so aus als wollte niemand mit zu Anti-Flag gehen...) bin ich dann doch schon nach Leipzig gefahren. Es sollte sich lohnen und alle meine vormals getroffenen Einschätzungen über den Haufen werfen.

Als wir eintrafen, stand der Matze vor dem Laden und redete. Ein wenig beklommen verharrend, betraten wir dann das durchaus hübsche kleine "Flower-Power" in der Riemannstraße. Die Decke ist übersäht mit Stoffblumen, an den Wänden psychedelische Motive und eine sehr angenehme (wenn auch nur Pseudo-) Hippie-Atmosphäre. Der Tischkicker wurde kurzerhand zum Merchandise-Stand umfunktioniert und die "Bühne" gleich rechts vom Eingang umfasst eigentlich nur das Schlagzeug und für die drei Gitarrenmenschen genügend Quadratzentimeter zum Stehen.

Es waren nicht zu viele Menschen anwesend, aber auch nicht zu wenige. Genau so wie es eben sein muss.
Die nächste Überraschung war der fehlende Eintritt. Matze für lau inna Kneipe, boar.
Es dauerte nicht lange und die vier standen in den Startlöchern (bzw. haben tollkühne Klettereien über Equipment & Schlagzeug überlebt).

Pause. Tief durchatmen.

Was ich dann erleben sollte, ähnelt stark dem Gefühl, welches ich empfand, als ich ihn das erste Mal sah. Damals kannte ich ihn nur von Tagtraum und bin an jenem unglückseligen Tage nur auf Empfehlung zu dem Konzert gegangen (01.04.2007 im Kato Berlin). Ich wurde von seiner Stimme, seinem Auftreten und seiner ganzen Art einfach nur überwältigt. Es war so unglaublich intensiv, wie wenige Konzerte davor oder danach. Besonders "In Armen" war in seiner Emotionalität damals für mich einfach nur überfordernd. Und gnadenlos wunderschön (ja ja, überkitscht blabla...Kopf, halts Maul!).

Ähnlich ging es mir auch diesmal. Nicht ganz so emotional von meiner Seite aus, aber der Glanz und das Wunderschöne blieben doch - oder besser gesagt - kehrten zurück. Die neuen Lieder wirkten unverhältnismäßig großartiger als das letzte Mal. Nicht nur, weil ich bloß zwei-drei Meter vom Matze wegstand und die Texte großteils verstehen konnte, sondern auch weil der Sound ein ganz anderer war. Keine brutale Stadionbeschallung wie im Conne Island (die vermutlich schon auf Turbostaat abgestimmt war). Auch keine riesige Bühne, kein Rockheld-Habitus, sondern einfach "unser" Senore Matze Rossi & Gaston. Die lieben Musiker von nebenan, die einfach Musik machen, weil sie Freude daran haben. Und die steckt an, garantiert.

Noch ein paar Sätze zu den neuen Liedern. Sie sind - dafür dass mein erster Eindruck so negativ war - erstaunlich gut. Also richtig gut. Oftmals ein kräftiger Schuss alter Punk-Mentalität mit Ansagen a la "D.I.Y. till death" oder einem großen "Fickt euch" an die Leute, die meinen, diese Art von Musik im Allgemeinen und den Matze im Besonderen kritisieren zu müssen ("Ich lasse mir nichts mehr nehmen"). So lange Musik aufrichtig ist und sich auf Herz und Verstand speist, kann sie nicht wirklich schlecht sein. Und das war und ist sie auch nicht. Wird sie wohl auch nie werden.
Ja klar ist das nicht das Höchste der Kunst und Philosophie, manchmal gar recht billig, könnte jetzt eingewandt werden, aber was bedeutet das schon?

Die Lieder gewinnen ihre Schönheit aus ihrer Unmittelbarkeit und nicht aus ihren lyrischen Verrenkungen. Lieber ein "Idiot auf meinem Hügel", der sich eingesteht nicht unfehlbar zu sein, als (pseudo-)intellektuelle "Höhenflüge", die rein gar nichts mit mir und dir zu tun haben (jaja, existenzberechtigt sind sie schon und manchmal mag ich das ja auch...). Nein, so wie der Matze das macht, ist das fein. Ehrlich und (auch wenn ich mir das vielleicht nur einreden mag) auch wieder eine Spur politischer.

Um es kurz zu machen, es war ein unglaublich unglaublich unglaublich schöner Abend. Mit all den alten Liedern, die schon lange im Herz sind und die neuen, die sicherlich auch bald dorthin gelangen werden. Die Hälfte der Lieder sowieso mitgesungen (...und erschrocken als ich merkte, dass ich fast so laut wie der Matze singe) und beglückt nach Hause gegangen.

Aber nicht ohne vorher doch noch ein paar Euro gespendet zu haben und... - ja, ich gestehe - ein Poster signieren zu lassen. Manchmal bin ich eben doch Groupie. Zumindest beim Matze. Aber der ist ja auch toll.

Restlos angenehm und beglückend das Ganze. Ich hoffe, dass es sich finanziell nicht allzu verheerend ausgewirkt hat, das kostenlos zu machen, denn ich fand es so viel schöner. Ich weiß, dass andere Menschen das nicht so sehen, aber mir wäre es unangenehm gewesen ohne Spende zu gehen. Wenn sich solche Denkweisen doch nur ein wenig mehr verbreiten könnten, dann würde nicht ständig dieser Eintrittspreis-Blödsinn über uns schweben und jede_r könnte so viel geben, wie sie_er eben für richtig und wichtig hält.

Egal. Es war großartig. Fünf von Fünf Sternen. Und eine alte Liebe neu entfacht.