Mittwoch, 29. Juli 2009

Fluff Fest 2009 in Rokycany/CZ

Bereits im Vorfeld bekam ich zu hören, dass ja "auch das Fluff nicht mehr das ist was es mal war" und jaja klar, früher war alles besser, aber ich glaub, so ganz von der Hand zu weisen waren und sind diese Einschätzungen nicht. Bevor wir jedoch überhaupt zum Fluff Fest gelangen konnten, lag noch eine lange und teils abenteuerliche Fahrt vor uns. Mit dem EuroCity gewohnt DB-zuverlässig und kostenintensiv nach Prag "gejettet" und da den halben Tag verbracht. An atmen war kaum zu denken im sommerlich-schwülen Prag. Lieber schwitzend weitergehen, als stehend nicht mehr als das Flimmern auf dem Asphalt einzusaugen. Allerlei Kommerzielles gab es zu bestaunen, für meinen ersten Prag-Aufenthalt genau das Richtige. Zeig mir die Touristenplätze der Stadt und ich sag dir wie schlimm es um sie steht. Auch über Prag hörte ich massive Veränderungen. Wiederum war "natürlich" früher alles besser, aber es war schon arg widerlich wie sich Restaurant an Restaurant und Straßenstand an Straßenstand reihten und Tourist_in an Tourist_in durch eine Straße trotten und wohl keine_r der Beteiligten eine Ahnung hat, warum es ausgerechnet diese Straße in dieser Stadt sein muss. Vom Hügel über die Stadt zu schauen, macht da schon mehr Spaß. Muss mensch nur erstmal hoch laufen...und dann wieder runter. Gerade rechtzeitig - inmitten der Wegstrecke zum Bahnhof zurück - brach ein Sommergewitter aus. Leichtnässlich im Hauseingang dann doch noch die ganzen Tourist_innen flitzen sehn und im Kopf Trennlinien gezogen. Wie gut, dass meine Digitalkamera nicht wirklich funktioniert.

Der Weg nach Rokycany ist noch eine kurze Bemerkung wert. Das Bahnsystem scheint in Tschechien so zu funktionieren, dass es auch wie in D-Land RBs (Os) und REs (R) gibt. Die Os sind zumeist krass heruntergekommene Wagen, die von Weitem so ein bisschen wie die Doppelstockzüge vieler REs in D-Land aussehn. Von Nahem sind sie zumeist nur eine Ansammlung von Rost- und Graffitiflecken. Die Rs sind da schon schicker. Mit einzelnen 8er-Abteilen und dem Charme des vergangenen Jahrhunderts wird relativ komfortabel (und verdammt billig!) die Provinz befahren. Wir sollten anderthalb Stunde bis Rokycany brauchen. Theoretisch. Praktisch wurde es eine Lehrstunde im tschechischen Nahverkehrssystem. Auch wenn die Züge langsam sind, mehr Personal haben sie auf jeden Fall. Und einer dieser Personalien versuchte uns kurz nach Prag auch schon verständlich zu machen, dass der Zug eine halbe Stunde Pause machen würde. War allerdings nix, kurz darauf alle aussteigen und ab in einen der eingangs erwähnten Os der beunruhigenderen Sorte. Damit gings allerdings nur bis zum nächsten Bahnhof. Dort standen mehrere ältere Busse bereit, reingequetscht und weiter gehts. Vier, fünf, sechs tschechische Dörfer - wo auch immer - kennengelernt und meinen Stehlatz verflucht, von dem aus ich genau sehen konnte, was der Fahrer macht und wie (wenig) weit der Abgrund weg ist. Dann war auch das überstanden, wieder rein in einen Os, wieder ein-zwei Stationen. Endlich wieder in einen R, mittlerweile auch noch mehr Menschen getroffen, die zum Fluff wollen, und nach zwei (?) weiteren Stunden Fahrt und 15 Minuten Fußmarsch durch die steil ansteigende Dunkelheit das Festivalgelände erreicht. Zum Glück stand unser Zelt schon!

Den nächsten Morgen dann gleich mal dazu genutzt die Umgebung auszuchecken. Der Flugplatz auf dem das Festivalgelände liegt, ist ein paar dutzend Meter oberhalb von Rokycany. Am Fuß dieses Hügels liegt gleich das Freibad und dann das Städtchen. Auf dem Zeltplatz vermischte sich häufiges Sächsisch mit 90er-Trash-Musik aus irgendeiner offenen Autotür. Und nach einem ausgiebigen Frühstück fing dann auch schon das Programm an. Neben Ständen mit Platten und den üblichen Accessoires gab es ein "Party tent", ein "Arty Tent", ein Filmzelt und die Hauptbühne. Catering war in mehreren Schlangen für Eis, Essen, Burger, Bier etc. geordnet. Zudem noch ein Zelt mit dem gewohnt-lecker-solidarischen Zapatista-Kaffee und Tierrechtsinfos. Essen kam von einer Mischform aus Tierrechts- und Tierschutzorganisation (vermutlich trotzdem eher der "cooleren" Sorte) und der Gewinn ging auch direkt dahin.

Von der Orga her alles ziemlich geil. Aus Öko-Sicht zu bemängeln wäre höchstens, dass das Essen trotzdem (nicht-bio) aus Supermarktkette XY kam, der Kaffee im Cateringbereich von Jacobs kam und das Geschirr vollständig Einmal/Wegwerfgeschirr war. Ansonsten total vorbildlich und besser als alles, was ich bisher bei Festivals gesehen hab. Preise gingen klar, meistens gingen die Taler eh in Soli-Taschen und geschmeckt hat auch alles. Und das vegan ausschließlicher Standard auf nem Festival ist, kann sowieso nicht hoch genug bewertet werden. Ein Problem gab es noch: Müll. Aber dazu komm ich später noch.

Erstmal ein paar musikalische Eindrücke. Die werden - wie bei jedem Festival - nur blitzlichtartig funktionieren können. Denn mehr als vier-fünf Bands genauer merken, ist kaum drin. Trotzdem war es wieder ein Festival, dass ich hauptsächlich der Musik wegen besucht haben werde.

Begonnen hat das Festival am Freitag für mich mit The Effort (USA). Und der Auftakt war mehr als vielversprechend. Sehr schön locker- melodischer Beat und trotzdem treibend-aggressiv (muss kein Gegensatz sein). Hätte sie mir um ein Haar kurz danach nochmal in Berlin angeschaut.

Senata Fox (CRO) danach fand ich nicht ganz so gut, aber auch mehr als ok. Waren rauher, schneller und schwerer. Mehr weiß ich nicht mehr.

Später spielten Ghostlimb (USA). Bis auf die schlechten (und deshalb guten) Witze zur Überbrückung einer Saiten-Aufzieh-Pause hab ich davon nur noch wenig behalten...Antillectual aus den Niederlanden ließen mich dann ins "Party-Zelt" einkehren und angenehmen melodiösen Skate-HC hören. Hat mich nicht sonderlich vom Hocker gerissen, war aber auch nicht schlecht.

Nach einer kurzen Pause war dann mein musikalisches Highlight des Abends (und einer der Hauptgründe aufs Fluff Fest zu fahren) schon Freitag nachmittag an der Reihe. Ohne größere Überraschungen konnten mich Tesa (LT) einmal mehr davon überzeugen, dass sie eine der größten "Post-"Bands der Gegenwart sind. Sie haben technisch ganz schön was aufm Kasten und wissen das auch einzusetzen. Gibt sicher viele Weltklassedrummende, aber noch nie hats mir auf nem Konzert beim Anblick eines Drummers so die Sprache verschlagen, wie bei Tesa. Das ist einfach...krass...was der da hinlegt. Hab noch nie eine so zu gleichen Teilen unkonventionelle wie künstlerische, hochpräzise und superschnelle Art Schlagzeug zu spielen gesehn. Und damit wir uns nicht missverstehen, der Drummer ist auch gleichzeitig der Sänger (!).

Weniger dieser Fakt als ihre Fähigkeit die eigenen Gedanken entgleiten und fortschweben zu lassen, machen sie für mich so großartig. Zeit und Raum werden klein und die Trance ist nicht mehr weit. Jedes Mal wieder faszinierend die Jungs zu sehen. Während des Auftritts musste ich daran denken, das Musik nicht nur politisch dadurch wird, dass die Sänger_innen tolle Ansagen machen und engagierte Texte schreiben. Tesa ist für mich eine hochpolitische Band, auch wenn sie das vermutlich bestreiten würden und auch die Texte nicht deutlich darauf hinweisen. Aber das was sie machen, wie sie es machen und wo sie es machen, das ist Kunst. Kunst, die Auswege, Utopien und Möglichkeiten aufzeigt. Die Gefühle ausdrückt. Die Kraft gibt. Die nicht verzweifeln lässt. Oder anders ausgedrückt: wenn mensch eh schon politisiert ist, dann können die "erleuchtenden" Melodien einer Band wohl mehr in ihm_ihr bewirken als zehn gute Politbands mit "guten" Lyrics und Standardmusik.

Dank Verschiebungen im Ablaufplan kam für mich danach auch nur noch eine Band: To Kill.
To Kill ärgern mich so ein wenig. Weil ich ihre Musik gern gut finden würde, es aber nicht kann. Politisch find ich die Vegan-Straight-Edge-Band aus Rom ziemlich cool - wäre nur nicht der Sound. Sehr metallische Herangehensweise und überhaupt nicht meins. Allerdings ein gutes Beispiel für das kleine aber feine Polit-Metalcore-Szenchen. Ehrlich gesagt waren meine Hauptgedanken während des Konzertes aber viel profanerer - nämlich kommerzieller Natur. Ich hab gegrübelt, ob ich ein Shirt von denen kaufen soll. Und das typische Dilemma bei Bandshirts trat mal wieder zu Tage. Entweder die Musik der Band ist nicht so toll oder die Motive sind doof oder es steht ein selten dämlicher Spruch drauf oder das Design ist unästhetisch und Sweatshopfree/fair & bio sind eh die wenigsten. Wie auch immer, passen tuts selten. Einen Nichtkonsum und nen für mich eher ungeeigneten Headliner später waren dann auch schon Tofuwürstchen und Sojasteaks uffm Grill und der Abend neigte sich seinem Ende zu.


Auch der Samstag sollte viele Überraschungen und schöne Konzertmomente bereithalten, los ging es jedoch erstmal mit XRepresentX (USA). Der Name war Programm. Prolliger HC mit Straight Edge-Abgefeier. Gut, dass danach gleich der Konter kam: Press Gang (D) wäre dann wohl eher in die Kategorie Drunk Punk zu stecken und so meinte der Sänger auch gleich, dass das im Umlauf befindliche Bier doch bitte zur Bühne kommen soll, damit sie richtig warm werden können. Sehr unterhaltsame Musik und Show & ein schöner Mix aus '77-Punk und frühem Hardcore. In der brütenden Nachmittagssonne gibts nix Besseres.

Danach gabs im Zelt eine weitere positive Überraschung des Festivals. Together (POR) spielten da. Standen nicht mal im Line-Up, über die Gründe mögen andere spekulieren. Hochpolitischer HC aus der Ecke, die diese beiden Buchstaben als Bewegung und nicht nur als Szene versteht. Äußerte sich dann vor allem in der Länge der Ansagen im Vergleich zur Länge der Lieder. Auch Dakhma (CZ) schlugen in eine ähnliche Kerbe. Es ist toll, nach so einer peinlichen Band wie XRepresentX zu sehen, dass Straight Edge auch mehr sein kann als ein albernes Szene-Identitäts-Spielchen mit Verzicht und Prollgehabe. Lange war mir die politische Dimension von Straight Edge nicht klar und ich verband es mit der (peinlichen) Szene-Variante, die leider bis auf den Verzicht auf Genuss- und Rauschmittel oder militanten Schwachsinn (Hardline...) wenig gebacken kriegt.
Straight Edge jedoch als einen Ausgangspunkt des (Nach-)Denkens über Verantwortung zu sehen, offenbart völlig neue Einsichten. Verantwortung für sich selbst, das eigene Handeln und andere zu übernehmen, passt dann plötzlich wieder gut zu Themen wie Veganismus (der leider auch oft in seiner platten Szene-Identitäts-Variante gelebt wird - gehört halt dazu), Anarchismus und Empowerment. Nicht wie viele Kommunist_innen auf die Revolution zu warten, sondern bei sich selbst anzufangen und zu schauen wie das eigene Handeln positiv in Richtung einer besseren Welt verändert werden kann, dieser Gedanke gefiel mir schon immer an der Hardcore-Bewegung und prägte auch mich sehr stark.

Dann bekommt Straight Edge auch eine ganz andere Bedeutung. Verantwortung zu übernehmen heißt dann nicht mehr, peinlich genau darauf zu achten, dass auch ja kein Tropfen Alkohol irgendwo drin ist und "Edge Breaker" bloßzustellen. Vielmehr ist ein wacher Geist und ein bewusstes Handeln und (Er-)Leben entscheidend. Keine vorgetäuschte Reinheit (was kann in dieser Welt rein sein außer verquere Ideologien?), sondern Aktivität. Change begins with you. Oder so.

Kaum raus aus dem Zelt, wuchs die Anspannung, die schon den ganzen Tag stetig stieg, wieder an. Nach einer kurzen nachmittäglichen Grillpause ging es auch schon weiter mit Celeste (FR) und Zann (D). Celeste hatte ich mir besser vorgestellt. Tief im "Post"-Sektor zuhause, allerdings wollte der Funke trotz guten Voraussetzungen nicht überspringen. Ganz anders bei Zann. Hatte die vorher nur mal nebenbei gehört und außer Krach kannte ich von denen nichts. Auf der Bühne verwandelte sich der Krach jedoch plötzlich in chaotische, ziemlich aufregende, komplex wirkende Lied-Strukturen und war ganz schön toll.

Und dann endlich war es so weit. Der zweite musikalische Hauptgrund aufs Fluff zu fahren, war dran: Fall of Efrafa (UK).
Sie haben kein einziges der Lieder gespielt, die ich gern hören wollte. Das Erstaunliche: das war auch total egal. Einfach nur wundervoll. Ein wenig rauher als auf Platte und einige Hintergrundmelodien fehlen natürlich. Aber nichtsdestotrotz atemberaubend und zum tiefen Versinken geeignet.

Das was ich bei Tesa über das Politische an solchen Bands geschrieben habe, passt noch besser zu Fall of Efrafa.
Fall of Efrafa ist eine reine Konzeptband, die sich vorgenommen hat, in drei Alben Motive aus dem Buch Watership Down zu verarbeiten. Im Zentrum stehen hoch politische, mitunter stark zynische, lyrische Texte, die vor allem von Religion bzw. Atheismus und Veganismus handeln. Naturbeherrschung, zur Religion verklärt, wird nicht (nur) die Erde zerstören, sondern vor allem die Spezies, welche sich selbst als Herrscherin über alle anderen Spezies erhob. Der fundamentale Widerstand gegen diese Herrschaft ist spärlich, aber vorhanden. Und im Endeffekt liegt es (auch) an uns, wie diese Geschichte enden wird.

Die Musik ist am besten in eine der "Post-"Schubladen zu stecken, was hauptsächlich Abgrenzung und nicht Inhalt ausdrückt. Denn wie bei vielen anderen des Genres lässt sich die Musik nur schwerlich in wenigen Worten ausdrücken. Schwermütig ist sie - und ernst. Leidvoll, ganz ruhig, getragen und plötzlich wieder das komplette Gegenteil. Ausbrechend und ungehalten. Endzeitlich und doch mit Hoffnungen versehen. Sind diese zu Beginn noch kaum zu sehen, werden sie im Albenverlauf stärker und überwiegen doch nie. Ein ambivalentes Wechselspiel, in dem nie so ganz klar wird, ob das was gerade geschieht, in Positiv oder Negativ zu fassen ist. Nur eines ist für mich sicher, es berührt mich. Und wie es das tut. Auch live. Eine der Bands des Festivals. Ich freu mich auf die Abschiedstour.

Was sollte jetzt noch kommen? Die Victims aus Schweden haben wir für ein Einreihen in die Burger-Schlange genutzt, von da aus klangen die gar nicht mal schlecht - besser zumindest als sie mir auf Tonträger gefallen. Ein weitergehendes Urteil will ich mir allerdings an dieser Stelle nicht erlauben.

Frisch gestärkt ging es dann zum Headliner des Abends: Trial (USA). Die waren, falls Tshirts so viel Relevanz zugesprochen werden soll, wohl der Grund für viele da zu sein. Sie machen relativ klassischen Hardcore und sind wohl auch deshalb so beliebt, weil sie den mit klaren Ansagen verbinden. Z.B. für die SHAC7 (Inhaftierte der Tierbefreiungsbewegung, welche sich gegen die Tierversuchsfirma Huntington Life Sciences engagier(t)en). Eigentlich in den späten 90ern aktiv, juckt es sie scheinbar immer noch hin und wieder eine Show zu spielen. Gut so. Nicht so ganz meins, aber sehr gut, dass es sie gibt. Und dass sie ihre Standpunkte genau so darlegen und nicht anders. Gibt vermutlich nicht wenige Leute, die sie dadurch motivieren können sich in den entsprechenden Bewegungen zu engagieren.

Sonntag. Aufm Zettel standen mal wieder viele musikalische Anregungen zur Tagesgestaltung und so wurde der Mittag mit Glasses (D) und Daymares (POL). War beides ziemlich schick. Viel mehr fällt mir dazu allerdings auch grad nicht mehr ein. Danach dann June Paik (D). Von denen halt ich ja schon länger so einiges. Hab sie mal in Leipzig in der Gieszer16 gesehen, wo sie "dank" technischer Probleme nur fünf Lieder gespielt haben. Erstaunlicherweise waren es diesmal auch nicht viel mehr. Die waren aber wiederum sehr intensiv. Ich glaub die Screamo-Schublade dürfte sie ganz gut umfassen. Melodisch schöne Läufe, längere Lieder, schöne Kontraste, viel Geschrei.

Der Tag im Ganzen hat sich wenig in die Erinnerung gebrannt. Zwar viel gesehen und auch viel gut gefunden, aber auch viel schon wieder vergessen. Die beiden vorangegangenen Tage haben einfach viel stärkere Bilder hinterlassen. Eine Ausnahme gab es dann aber doch: Mondo Gecko (ISR). Echt abgefahrene, wundervoll trashige Band. Schon als der Sänger im komplett goldenen Jogginganzug auf die Bühne kam, war klar wohin die Reise geht. Nach dem Auftritt war erstmal Diskutieren angesagt: Wer ist schneller? Der Drummer von Mondo Gecko oder der von Vitamin X? Wird wohl kaum zu entscheiden sein. Rasend schnelle, sehr kurze Lieder wechselten sich mit teils lustigen, teils debilen Ansagen ab - in der Mitte des Konzertes meinte der Sänger dann zum Drummer: "...and now faaast!". Reicht glaub ich schon um die Durchgeknalltheit ansatzweise nachvollziehbar zu machen. Für mich eine der Überraschungen und Highlights des Festivals!

Tackleberry (D) hingegen war nicht so pralle. Musikalisch irgendwie inspirationslos und viele lange überflüssige Ansagen. Leuten auf dem Fluff-Fest erzählen zu wollen, dass Mario Barth scheiße ist, finde ich unangebracht (ok, vielleicht bestand das Publikum ja auch nur aus Deutschen Fernsehjunkies, wer weiß). Paar Wochen später hab ich sie noch mal in Berlin gesehen. Da waren sie dann besser. So bin ich aber schon vorzeitig gegangen und das war mein Glück.

Denn auf der Hauptbühne fingen gerade Ratos de Porao (BRA) an. Die kennen ich schon, seit ich mit 13 ein Tape mit Aufnahmen von brasilianischen HC-Bands zwischen 1980-83 mein Eigen nennen durfte. Ratos de Porao machen heute zwar Metal, aber die Wurzeln sind offensichtlich. Wirklich groß macht sie vor allem das Unterhaltungstalent des Sängers. Ein ziemlich dicklicher biertrinkender alter Mann, der aber mal so was von auf den Begriff "Rampensau" passt. Sehr komisch und äußerst unterhaltsam. Das Süßeste an diesem Konzert war der Moment in dem eine Person durch das Mikro "I love you" zu ihm meinte und der coole Entertainer zerflossen ist. Hach!

Den Headliner bildeten Have Heart (USA). Die lösen sich auf und waren das letzte Mal in Europa. Have Heart ist auch so eine Band, bei der ich nicht so genau weiß, was ich denken soll. Musikalisch bewegen sie sich souverän auf (auch von ihnen) ausgetretenen Pfaden von Bane oder Verse. Inhaltlich ist bei der Show null rüber gekommen, darf bei ner Abschiedstour wohl aber auch sein. Beliebt und bekannt sind sie jedenfalls. Die Bühne war voller Menschen und auch wenn ich mit denen nicht viel anfangen kann, ist das Fazit wohl wieder ähnlich wie bei Trial. Die geben anderen Menschen garantiert ziemlich viel.


Ist ja auch eine Erkenntnis des Festivals, dass ich den Headlinern komplett skeptisch gegenüberstand. Und hat auch viel damit zu tun, wie Hardcore als Szene und Bewegung funktioniert. Denn auch wenn ich zumindest Trial und To Kill politisch die besten Absichten unterstelle, die Art und Weise der Vermittlung ist so gar nicht mein Fall. Weder übermetallisch noch im Prediger-Stil will ich Inhalte vorgesetzt bekommen. Oder halt gar nicht, wie bei Have Heart. Klar geht das anderen Menschen anders, aber dann ist natürlich auch klar, dass sich eher diese Menschen von den Headlinern und den Prollo-Bands angesprochen fühlen. Niedrigen Eintrittspreis nicht vergessen und schon haben Otto und Ottilie Normal-HC-Verbraucher Zelt und Schlafsack Richtung Tschechien unter den Armen.

Das mag elitär rüberkommen sowas zu schreiben. Aber ich hatte schon den Eindruck, dass gerade die Menschen, die (dank Tshirt-Aufdrucken relativ leicht identifizierbar) eher die weniger politischen und machomäßigeren Bands auf dem Leib trugen, auch seltener die Vorstellungen der Organisierenden (und auch meiner) eines gelungenen D.I.Y.-Fests teilten.

Woran mache ich das fest?

Ich lebe mein Leben nicht alkoholfrei. Auf dem Fluff Fest hab ich trotzdem nicht getrunken. Hätte für mich nicht gepasst. Wurde vielfach anders gesehen. Auch, dass der leere Bierbecher nicht auf dem Gelände liegen bleiben sollte. Am Ende war das gesamte Gelände eine reine Mülllandschaft. Dixi-Klos wurden zu Ekel-Spielplätzen und Graffitiwänden umfunktioniert. Leute fuhren ab und ließen dann auch noch ihren Müll auf dem Zeltplatz liegen. Dazu Rumgegröhle & widerliche Musik auf dem Zeltplatz (ich sag nur Pöbel & Gesocks).

Das soll gar nicht so Über-P.C. rüberkommen wie es vielleicht klingt. Aber ist es denn so schwierig den eigenen Müll zu entsorgen und die Leistungen der Organisierenden zu würdigen? Sollte auf einem D.I.Y.-Festival wirklich nur mein Konsum an Essen, Getränken und Musik im Vordergrund stehen? Kann ich nicht vielleicht auch einen Beitrag zum Gelingen des Festivals dazusteuern?

Einfache Fragen, leider oftmals keine Antworten. War mir auch ziemlich unangenehm, dass so viele Deutsche da waren. Vielleicht liegts an meiner schrägen Sichtweise. Aber gerade viele Deutschsprechende erfüllten meine Negativbilder. Viel wirkte aufgesetzt, stilisiert, es wirkte wenig bewegungsorientiert und viel szenig. Politik wohl eher in der Nebenrolle. Alkohol und Vermüllung dafür in Hauptrollen. Das finde ich schade. So werden die Grenzen eines Ortes zur freien Entfaltung schnell eingeengt. Noch war der Raum relativ offen. Relativ im Vergleich zu vielen anderen Hardcore-Konzerten und Festivals. Aber raumgreifendes, intolerantes und szenig-ausschließendes Verhalten bzw. der Anteil derer, die dies offensiv nutzen braucht nur wenig höher werden und die Ausnahmestellung des Fluff geht den Bach runter. Ich frag mich, ob mich mein Eindruck, dass Hardcore in anderen Ländern anders (besser?!?) funktioniert, wirklich so täuscht. Und woran das liegen mag. Vielleicht an der schlichten Größe der HC-Szene und linken Szene insgesamt in Deutschland...wer weiß...

Um den Bogen wieder zum Beginn zu schlagen: die "auch das Fluff ist nicht mehr das was es mal war"-Stimmen klingen wieder an, ich hätte es gern ein paar Jahre eher entdeckt. Und trotzdem war jede Minute wert auf dem Fluff Fest gewesen zu sein. Denn trotz allem hat es sich zwar nicht angefühlt wie ein Polit-Camp, aber doch meilenweit besser als vieles was ich von der deutschen Hardcore-Szene der Gegenwart so mitbekommen habe bis jetzt.

Mal schauen, vielleicht verschlägt es mich ja nächstes Jahr wieder in die tschechische Provinz. Im Moment finde ich diesen Gedanken sehr reizvoll. Diese fünf Tage (mit jeweils einem Tag in Prag) sind für mich jedenfalls meine Eindrücke für den Sommer 2009.
Und die waren mehr als wundervoll.




P.S. Auf der Rückfahrt waren wir in Prag in einem asiatischen Vegan-Restaurant. Wer da nicht gewesen ist, dem fehlt ein kulinarisches Schlüsselerlebnis im Leben ;)




Hier nochmal das komplette Line-Up. Da es verdammt heiß war, haben wir von den Aftershow-Parties so gut wie nix mehr mitgekriegt und stattdessen den Schlaf gesucht. War auch ganz sinnvoll, wenn der Sonnenwecker morgens gegen acht auf Grillalarm steht.
Was im Artikel nicht steht, hab ich auch nicht oder nur ganz kurz gesehen. Entweder wegen Überschneidungen oder weil ichs nicht so prickelnd fand.


Friday 24th July

15:00 zine workshop meeting @ zine library

party tent
16:00 DEAD VOWS [swe]
17:30 ANTILLECTUAL [ned]
18:45 TESA [lv]

main stage
14:05 AYS [ger]
14:45 THE EFFORT [us]
15:30 SENATA FOX [cro]
16:15 BORA [lt]
17:05 GHOSTLIMB [us]
18:00 OUTLAST [swe]
19:00 KINGDOM [us]
20:00 ANALENA [cro]
21:00 TO KILL [it]

party tent
22:00 KARAOKE AND DISCO AFTERPARTY

campsite
22:30 OPEN AIR CINEMA

arty tent
22:00 HISSING FAUNA [cz]
22:45 DNE [cz]
23:30 BURNING BOY [cz]

Saturday 25th July 2009

party tent:
15:?? TOGETHER [por]
16:00 DAKHMA [cz]
17:30 OUTRAGE [us]
18:45 RAY [rus]

main stage
13:25 RECONCILE [arg]
14:05 XREPRESENTX [us]
14:45 PRESS GANG [ger]
15:30 BURIAL [ger]
16:15 WAIT IN VAIN [us]
17:05 CELESTE [fr]
18:00 ZANN [ger]
19:00 FALL OF EFRAFA [uk]
20:00 VICTIMS [swe]
21:00 TRIAL [us]

party tent
22:00 DISCO AFTERPARTY

campsite
22:30 OPEN AIR CINEMA

arty tent
22:00 CLIMATIZADO [cz]
22:45 OTTAVEN [it]
23:30 TROY VON BALTHAZAR [us]
00:15 LIKE SHE [cz]

Sunday 26th July 2009

party tent
15:45 LA PROSPERITE [cz]
17:30 MONDO GECKO [isr]
19:30 TACKLEBERRY [ger]

main stage
13:25 GLASSES [ger]
14:05 DAYMARES [pol]
14:45 JUNE PAIK [ger]
15:30 AS WE FIGHT [dk]
16:15 SHIPWRECK AD [us]
17:05 DEATH IS NOT GLAMOROUS [nor]
18:00 AN ALBATROSS [us]
19:00 RISE AND FALL [bel]
20:00 RATOS DE PORAO [bra]
21:00 HAVE HEART [us]

arty tent
22:00 CHILL OUT GOODBYE AFTERPARTY