Donnerstag, 3. September 2009

The warren is empty.

Meinem Bericht aus Berlin (A.G.H. in der Köpi) und aus Leipzig (Zoro) möchte ich die Zeilen voranstellen, welche ich bereits zum diesjährigen Fluff Fest über Fall of Efrafa schrieb - damals mein erstes Mal FoE:


Und dann endlich war es so weit. Der zweite musikalische Hauptgrund aufs Fluff zu fahren, war dran: Fall of Efrafa (UK).
Sie haben kein einziges der Lieder gespielt, die ich gern hören wollte. Das Erstaunliche: das war auch total egal. Einfach nur wundervoll. Ein wenig rauher als auf Platte und einige Hintergrundmelodien fehlen natürlich. Aber nichtsdestotrotz atemberaubend und zum tiefen Versinken geeignet.

Das was ich bei Tesa über das Politische an solchen Bands geschrieben habe, passt noch besser zu Fall of Efrafa.
Fall of Efrafa ist eine reine Konzeptband, die sich vorgenommen hat, in drei Alben Motive aus dem Buch Watership Down zu verarbeiten. Im Zentrum stehen hoch politische, mitunter stark zynische, lyrische Texte, die vor allem von Religion bzw. Atheismus und Veganismus handeln. Naturbeherrschung, zur Religion verklärt, wird nicht (nur) die Erde zerstören, sondern vor allem die Spezies, welche sich selbst als Herrscherin über alle anderen Spezies erhob. Der fundamentale Widerstand gegen diese Herrschaft ist spärlich, aber vorhanden. Und im Endeffekt liegt es (auch) an uns, wie diese Geschichte enden wird.

Die Musik ist am besten in eine der "Post-"Schubladen zu stecken, was hauptsächlich Abgrenzung und nicht Inhalt ausdrückt. Denn wie bei vielen anderen des Genres lässt sich die Musik nur schwerlich in wenigen Worten ausdrücken. Schwermütig ist sie - und ernst. Leidvoll, ganz ruhig, getragen und plötzlich wieder das komplette Gegenteil. Ausbrechend und ungehalten. Endzeitlich und doch mit Hoffnungen versehen. Sind diese zu Beginn noch kaum zu sehen, werden sie im Albenverlauf stärker und überwiegen doch nie. Ein ambivalentes Wechselspiel, in dem nie so ganz klar wird, ob das was gerade geschieht, in Positiv oder Negativ zu fassen ist. Nur eines ist für mich sicher, es berührt mich. Und wie es das tut. Auch live. Eine der Bands des Festivals. Ich freu mich auf die Abschiedstour.



In diesen Tagen höre ich wieder oft ihre Einleitung in die Trilogie. "Owsla" scheint bereits mitten im Geschehen zu stehen und alle drei Teile zusammen nur einen Ausschnitt dessen zu sein, was in dieser Geschichte möglich ist. Mittlerweile finde ich, dass nicht das Buch Watership Down den eigentlichen Bezugspunkt darstellt. Vielmehr werden Sphären durchschritten, die sich zwar mit Bildern einer solchen Geschichte schmücken, aber als eigenständiges Stück Kunst/Leben/was auch immer eine eigene Geschichte überliefern. Auch wenn es genre-technisch schwierig ist, die späteren Alben zuzuordnen,ist Owsla für mich die Vollendung dessen, was einmal als Crust begann. Musikstilistisch zwar deutlich aufgebrochen, bleiben ausnahmsweise mal die Ideale und Inhalte erhalten und schaffen etwas Wundervolles. Die textlich-düstere Endzeit des frühen Crust verschmilzt mit einer Anklage an Herrschaft im Allgemeinen, Speziesismus und christliche "Mach dir die Welt Untertan und alles platt was dir in den Weg kommt weißer Mann"-Auslegungen im Besonderen. Die musikalische Komplettverweigerung (rumpel-rumpel-knüppel-fauch) verschmilzt mit sensiblen Melodien, welche neben tiefem Leiden auch eine eigene Schönheit und emanzipatorische Gegenentwürfe in feste Formen gießen. Ich frag mich, wie ich die ganze Zeit ohne FoE auskommen konnte und kann es kaum glauben, dass es nur wenige Monate her ist, als ich das erste Mal von ihnen hörte.

Aber kommen wir erstmal zu den Konzerten:

Am Donnerstag waren sie in der Köpi in Berlin. Mehrere Wochen Vorfreude lagen zu diesem Zeitpunkt hinter mir und selbst die letzte Edel-Cruste der Hauptstadt hat sich für den Abend schick gemacht. Das A.G.H. (der größte Konzertort in der Köpi) war gut gefüllt und ich fragte mich einmal mehr warum ich diese ganzen menschlichen Sammelsurien von politischen Aufnähern nie bei irgendwelchen politischen Aktionen antreffe. Jedenfalls fühlte ich mich ziemlich uncool ohne Parolen und Identitäten auf dem Pullover. Sei's drum - Platz direkt vor der Bühne ergattert und homogene schwarze Masse im Rücken gehabt. Die Setlist von FoE war an beiden Abenden die gleiche, deshalb spring ich gleich mal rüber zum Zoro und matsch die musikalischen Sachen dann zusammen.

Den Freitag dann endlich mal wieder Leipzig mit allem drum und dran plus dazugehörige liebe Leipzig-Menschen. Ein bunteres und deutlich sympathischeres Publikum (ey, da waren "echte" Punks, mit Nieten und Iros und so! ;), wobei ich mich auch frage, woran genau ich das festmache. Das Zoro war auch mehr als voll und rauchende Leute plus schlechte Lüftung ergaben dann stinkende Sauna ohne die Garantie wirklich noch Sauerstoff in die Lungen zu atmen. Trotz allem drei Vorbands. Den Namen der ersten hab ich vergessen, die zweite hießen Antimaster und sind mir auch kaum im Gedächtnis geblieben. Die dritten waren Witch Hunt aus den USA, geschlechterparitätisch zu viert musikalisch ziemlich toll unterwegs. Guter Anarch@/Crustpunk, abwechslungsreich, wechselnde Sänger_innen, manchmal auch mehrstimmig und sehr zum Mitzappeln animierend.

In der Köpi war die Berliner Squat-Musik-Größe Insuiciety vertreten. Mal wieder ein richtig guter Auftritt von denen. Die letzten Konzerte fand ich eher nicht so berauschend, aber diesmal waren sie wieder doomiger und schleppender unterwegs - was ihnen deutlich besser steht. Glaube, die werden immer noch unter Sludge subsummiert. Haben jedenfalls perfekt eingestimmt. November 13th aus Hannover waren auch ziemlich überzeugend. Allerdings waren meine (musiktechnisch deutlich gebildetere) Begleitung und ich beide der Ansicht, dass da was nicht zusammenpasste. Was wohl vor allem daran lag, dass der Drummer sehr schnell und sehr gut war. Vermutlich zu gut. War streckenweise trotzdem sehr schick.

Aber eigentlich gings ja um was anderes...auch wenn sie am Freitag angesichts der Luft doch etwas mehr zu kämpfen hatten, war das Niveau der Fall of Efrafa-Auftritte in beiden Fällen sehr hoch. Viel Energie, mehr Präzision und noch mehr Leidenschaft steckten da drin. Allein den mikrofonisch nicht verstärkten Drummer aus voller Kraft mitschreien zu hören - und zu sehen - brennt sich direkt ins Hirn und lässt Gänsehautattacken als einzig logische Konsequenz erscheinen.

Meine Ausführungen zu Owsla waren nicht ohne Hintergedanken. Natürlich hatte ich hohe Erwartungen an die Konzerte. Ich wollte sie nicht nur genießen, sondern von vorn bis hinten "drin" sein. Nur die Musik fühlen und alles andere ausblenden. Das gelang mir zunächst nicht, auch wenn Titel wie Simulacrum, The Warren of Snares und Woundwort die besten Qualitäten dazu haben. Gänzlich anders war dies bei den jeweils letzten Liedern "Last but not Least" und "The Fall of Efrafa". Ich hätte mir keinen würdigeren Abschluss vorstellen können. Alle Erwartungen und noch viel mehr lösten sie ein. Wer "The Fall of Efrafa" kennt weiß, dass es mit einem mehrmaligen geschrieen "The warren is empty" endet. Was schon auf der Aufnahme kraftvoll klingt, ist live für mich eine Offenbarung gewesen. Irgendwann schrieb ich mal, dass für mich ein Konzert nur wirklich großartig ist, wenn ich danach völlig leergeschrieen und zerstört bin (oder so ähnlich). Genau dies war beide Male der Fall. Und das leere Kaninchengehege (vielleicht ist dies auch die falsche Übersetzung für warren und es ist der Kaninchenbau) eine schöne, hoffnungsvolle Metapher dafür, dass die Käfige und Knäste eines Tages vielleicht wirklich einmal leer sein mögen. Sie selbst schreiben zu diesem Lied:
The song is basically the last desperate effort to overthrow the efrafa. Even when we have nothing left to live for, it is our instinct to survive. Even when we are scared and alone we can muster the energy to make the final charge.


Für den Heimweg und viele spätere Momente blieb diese Zeile und mit ihr all dessen, was Fall of Efrafa und ihre Musik für mich sind. In der Tiefe und der Dunkelheit, finden Verzweilfung und Untergang ihre Heimstatt. Dem wird jedoch nicht nachgegeben und aus ihnen heraus entsteht das politische Aufbegehren, welches neben einer sensiblen Empathie Ernsthaftigkeit, Stärke und Beharrlichkeit hervorbringt. Vielleicht wird aus diesen Quellen heraus irgendwann einmal eine bessere Welt erstritten werden. Eine zeitgemäße Utopie politischer Emanzipation kommt jedenfalls nicht mehr ohne die Problematisierung von Herrschaft über nichtmenschliche Tiere und der Zerstörung unser eigenen ökologischen Lebensgrundlagen aus. Und sie kann sich nicht davor verschließen, dass der Verrat, welcher mit herrschaftlichen Systemen stets einhergeht, tiefer reicht, als nur bis zu unseren menschlichen Nachbarinnen und Nachbarn.

Eine der ganz großen Bands ist damit Geschichte. Aufgelöst auf dem Höhepunkt ihres Wirkens. Bevor sie jemals eine große Zahl an Menschen überhaupt bemerkte. Besser hätte es gar nicht laufen können. Auch wenn ich eigentlich traurig darüber sein müsste, dass dies alles nicht wiederkehren wird.