Samstag, 29. Januar 2011

Manku Kapak in der Scherer 8

Lange nichts mehr geschrieben. Wenige Gelegenheiten, viel Mist, Winterschlaf. Nun doch mal wieder aus aktuellem Anlass ein Post.

Manku Kapak aus Bremen hab ich im Internet im Zuge des ausgiebigen Hörens von todo para todos (reinhören!) kennen und schätzen gelernt. Viel haben Manku Kapak noch nicht draußen. Meines Wissens nach eine Single und eine Split-Single mit Hauke Henkel. Macht zusammen fünf Lieder(?!). Schubladen auf und zu wäre das wohl irgendwie Screamo. Ruhige, relativ einfache Melodien, Geschrei, Gesprech, dazu ein paar einleitende Samples und ne Melodica. Besonders die Melodica hatte es mir angetan. Liegt vermutlich daran, dass ich mich schon kurz nach meiner Einschulung dafür begeistern konnte und immer noch/wieder eine bei mir herumliegen habe.

Also nach kurzem Abwägen nicht Willy Fog im Trickster angeschaut und ab in die Scherer 8. Lange nett gesessen, ging mal wieder endspät los.

Erster Eindruck: "Schock" darüber wie jung die drei Manku Kapaks aussahen und im Hinterkopf die eigenen Jahre gezählt.

Zweiter Eindruck: Das ist doch Fake! Für einen Augenblick dachte ich doch wirklich die Melodica kommt vom Band. Tatsächlich aber kamen die fies-ziehenden Melodien aus einer ungewohnten Ecke. Die rechte Körperhälfte des Drummers widmete sich dem Schlagzeug, während parallel seine Atemluft und sein Tastendruck in Akustik verwandelt wurden. Der Hammer!

Dritter Eindruck: Musikalisch waren die gut drauf, kam den bisherigen Aufnahmen sehr nahe. Dementsprechend haben die Melodien auch live eine ziemlich dichte, oft arg melancholische Stimmung erzeugt - ein Großteil davon wird der molllastigen Melodica anzulasten sein. Mochte ich sehr.

Ansagen wie Texten kann mensch vorwerfen, dass sie plakativ wären, engagiert wäre aber ein mindestens genau so passender Ausdruck. Nehmen wir zum Beispiel das Lied ignorie, dessen dramaturgischen Höhepunkt die in der Lautstärke ansteigende Wiederholung des Wortes "Mörder" bildet. Der Rest des Textes:

hatte dein essen ein gesicht?
wir menschen leben & sterben,
aber lassen wir leben? nein, wir töten.
woher nimmt ihr das recht anderes leben zu zerstören? (sic)
mörder!
wir sind doch alle tiere.
machtbesessen, domestiziert, geisteskrank.


Sehr einfach gehalten, direkte moralische Empörung, schlichte Gut/Böse-Trennung. Allen kopflastigen Einsprüchen zum Trotz: für eine Musik deren Wirkung vor allem im emotionalen Bereich anzusiedeln ist, geht das klar. Vielleicht denkt ja wirklich eine_r mal deswegen über die Thematik nach. Und sowieso.

Könnte ja alles auch ein wenig mehr "künstlerische Freiheit"-mäßig betrachtet werden. Warum nicht den Vorwurf des "Mörder!" einfach mal weiter fassen als nur "Fleisch: ich lass dich ausbluten für mein Stück Lebenskraft" und eine Universalanklage gegen eine gewalttätige, in vielen Köpfen krass militarisierte Gesellschaft daraus lesen. In diese Kategoriengrube fallen dann all die schikanierenden deutschen Beamten, wie langsam oder schnell sie auch töten. Genauso fallen hinein all die hasserfüllten Gestalten da draußen, die lieber die Bullen rufen, wenn ein Kontrolleur an der Ausübung seines Amtes gehindert wird, als zu begreifen. Kontrolle, Sicherheit, Ordnung. Alles Mörder. Und in ansteigender Lautstärke hallt es hin und her und her und hin bis zum schreien. Bis zum ausrasten. Bis zum begreifen: "das ist die Normalität". Und weiter. "machtbesessen, domestiziert, geisteskrank."

Klarstellung: natürlich macht es nicht wirklich Sinn Menschen rein individualisierend Fleisch-/Tierproduktkonsum vorzuwerfen ohne die Strukturen zu denken, die uns alle umfassen, die ganze Scheiße reproduzieren, den Konsum von Leichenteilen als "normal" erscheinen lassen,...

Aber: Ich finds gut, dass es auch nachwachsende Bands gibt, die klar Stellung beziehen. Auch wenn Parolengeklatsche irgendwie uncool ist, "für die Befreiung von Mensch und Tier" ist und bleibt ne schicke Ansage.

Zusammengefasst: Schöner Auftritt, hoffentlich machen die als Manku Kapak oder in einer anderen Form noch lange Musik. Da kann noch so einiges draus werden. Ich bin gespannt.

P.S. Pausenmusik! Unterschätzt! Als Stimmungsfaktor auf Konzerten! Amanda Woodward und At the Drive-In! Alles richtig gemacht! Ausrufezeichen! Still loving Scherer8!