Sonntag, 29. April 2007

Fliehende Stürme + Die Art in Chemnitz

Wochenlange Vorfreude wurde nun endlich in verwertbare Erinnerung verwandelt. So muss das doch sein. Und es war mal wieder ganz besonders. Zu Beginn jedoch nur besonders, weil unsere Regionalbahn mal eben nen Lokschaden hatte und wir zwei Stunden später als geplant hinkamen. War aber nicht schlimm, hatte noch nicht angefangen. Nur die Nerven waren futsch und alle flüssigen wie festen Vorräte eher gen Untergrund gewandert, denn geplant. Aber egal.

Der Südbahnhof Chemnitz. Sonst scheint da nur Techno zu laufen und die 16 Euro pro Karte waren für Stürme auch mehr als happig. Aber es sollte ja auch noch die Re-Union von "Die Art" geben. War mir zwar bis dahin leider nur ein Name im Ohr und leider keine Melodie dazu. Egal. Stürme allein reichten zum hingehen (und den Rest könnte mensch ja dankbar noch mitnehmen...) Nur ärgerlich, dass die Stürme Support und somit zeitlich limitiert sein würden. Keine sonderlich guten Aussichten für mein fünftes Stürme-Konzert.

Denkste.

Aber von vorn. Der Laden war einfach riesig für meine Begriffe. Vorher hatte ich was von 800 zu verkaufenden Tickets gehört. Tausend Menschen hätten sicher Platz gehabt. Den Beginn machten Substance of Dream, die scheinbar einen Total-Austausch hinter sich hatten. Drummer ist geblieben, Sänger durch Sängerin ersetzt, der Basser war auch neu und früher waren die doch bloß zu dritt?!? Da war so einiges anders und doch auch gar nicht. Substance of Dream sind die ewige Vorband. Sie machen ja keine schlechte Musik, aber es geht einfach nicht mehr. Bei ihnen kommt keine Stimmung auf, niemand geht mit, mich würde das frustrieren...und so auch in neuer Besetzung. Der Bassist mit entblößtem, durchtrainiertem und glattrasiertem Oberkörper schien wohl nur wegen seines Aussehens in die Band gekommen zu sein, die Frage warum es plötzlich eine Sängerin gibt, dürfte sich wohl ähnlich beantworten lassen.
Nach technischen Problemen und der Einsicht, dass auch das neue Material von der "Körper ohne Namen" Split-CD mit Fliehende Stürme leider nicht das halten kann, was es versprach, waren sie dann auch schon verschwunden. "Höllengott" und "Paradise" höre ich trotzdem jedes Mal wieder gern. Schon allein deswegen ist es mir ganz recht die immer im Vorprogramm zu haben.

Dann eine Überraschung. Nicht die Stürme kamen. Nein. Die Art gab sich die Ehre. Was zuerst nur Konfusion hinterließ, wich schnell Begeisterung. Im Sturm haben mich die in Würde gealterten Musiker für sich vereinnahmt. Die rauchig-tiefe Stimme des Sängers, der wie die Ost-Kopie von Mick Jagger aussah (Mick für die Kohle, der "Art"-Sänger für die Kunst), dazu die tiefschwarzen Texte, ein atemberaubend hartes Schlagzeug und Melodien, die zumindest für meine Begriffe relativ komplex anmuteten und sich doch tief in den Gehörgang zu fressen vermochten. Für mich eine absolute Neuentdeckung, für große Teile des Publikums die Helden vergangener Zeiten. Da konnten Menschen jenseits der Vierzig beim exzessiven Pogo-tanzen und mitsingen genauso beobachtet werden, wie in Erinnerungen schwelgende Elterngenerations-Pärchen, die Augen geschlossen und genießend.
Nicht nur musikalisch ist die Nähe zu den Stürmen nicht zu verleugnen. Auch ihre Wirkung auf das Publikum ist ähnlich. Und das hat mich sehr berührt. Ihre Musik scheint vielen der Anwesenden viel gegeben zu haben.
Dunkel, schwer, hart, wütend. Diese Musik hat ihre Nische gefunden. Dort wo keine Szene hinkommt. Vergleiche zum Status der Stürme oder EA80 halte ich für durchaus angebracht.

Und wenn wir schon bei den Stürmen sind, die haben ja auch noch gespielt...ich weiß nicht wie lang die Art gespielt hat, vermutlich war es mittlerweile schon nach eins, als Fliehende Stürme begannen. Gleich mit "Trümmergemüt" eingestiegen. Wie immer dreimal so schnell wie normal. Und brachial.
Und doch...es war...anders. Nicht bedeutend, aber ein wenig Glanz ist abgesplittert.
Was ich an Stürme-Konzerten so liebe ist, dass ich mich komplett verlieren kann. Keine Gedanken, keine Erinnerungen, kein Ich. Es ist alles weg und nur die Musik ist noch da. Dieses Gefühl stellt sich für gewöhnlich erst sehr spät im Verlauf eines solchen Konzertes ein. Diesmal kam es bereits mit dem vierten oder fünften Lied. Umarmung.
Und doch war es schwer sich zu konzentrieren. Ein betrunkener Idiot, der die Band auf der Bühne gestört und im Publikum andere Menschen belästigt hat und dann auch noch diese Leere. Es waren schon Viele gegangen. Und diese Riesenhalle viel zu groß. Gegen Ende wohl nur noch Hundert, bei zehnfachem Fassungsvermögen. Eigentlich schade.

Aber es kam ja auch noch SchlafWandel. Mein Lied. Für feuchte Augen. Und Glückseligkeit. Wenn ein Lächeln nicht mehr gestellt ist oder aus der Situation entsteht. Nein, wenn die Seele so stark lächelt, dass sie die Mundwinkel nach oben zieht. Mit geschlossenen Augen genossen da zu sein. Ein Lied gegen die Ewigkeit.
Und drei Zugaben morgens um drei. Satellit, Die aus dem Schatten springen und Maschinentrauma. Der blanke Wahnsinn. Ein guter Begleiter auf dem Nach-Hause-Weg für die heisere Stimme und die rauchzerstörten, erkältungsgeplagten Bronchien. Gerade Die aus dem Schatten springen. Es ist live einfach nur so großartig...

Zurück zum Bahnhof mit den beiden Menschen, die wir im Zug hinzu kennengelernt haben und nach einer wundervollen Nacht mit dem Morgen gegen Sechs ins Bett gefallen.

Alles in Allem fand ich besonders "Die Art" genial. Sie haben an diesem Abend sogar meine geliebten Stürme übertrumpft. So extrem muss erst einmal eine Band meine getrübte Wahrnehmung beeinflussen können...

Der Spruch des Abends kam jedoch vom Stürme-Andreas:

"Nichts gegen euch,aber paar Tage in Deutschland und ich muss
dieses Lied einfach wieder spielen...Alles Falsch..."

"Vielleicht bin ich zu früh gebor'n
Oder alles ist zu spät
Diese Zeit gefällt mir nicht
Vielleicht ist dies die falsche Stadt
Oder gar das falsche Land
Dieser Ort gefällt micht nicht"
(Refrain aus "Alles Falsch")

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