Samstag, 30. Mai 2009
Impressionen vom Wave-Gotik-Treffen 2009
Seltsam wieder in dieser Normalität zu sein, seltsam wieder den gewohnten Wegen nachzugehen. Das Wave-Gotik-Treffen hat einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen und reizüberflutet wie ich war, versuch ich das jetzt alles mal so nach und nach zu verarbeiten und aufzuschreiben. Mal sehn, wie lang das wird.
Zunächst werde ich mal einigen Impressionen Leipzigs nachgehen. Leipzig kenne ich schon sehr lange und irgendwie ist es auch meine heimliche Liebe. Ich bin wirklich sehr gern in Leipzig und vielleicht auch, weil ich es dort sehr mag, fallen mir negative Dinge eher auf als anderswo. Die vier WGT-Tage standen vor allem im Zeichen von Überwachung und Kontrolle. Irgendwann hab ich mal gehört, Leipzig sei die Stadt mit der größten Dichte an Überwachungskameras in ganz Deutschland. Das allein ist schon erschreckend genug, findet sich doch immer irgendwo ein beobachtendes Objektiv. Ob nun Richtkameras auf den Dächern, überwachte Plätze oder Kameras in den Straßenbahnen, sie sind wirklich überall. Und mit ihnen eine sehr deutsche Mentalität von Überwachung, Ordnung und Sauberkeit. Auf den Flimmerpendants zum Berliner Fenster wird in den Straßenbahnen stolz von Freiwilligen berichtet, die Stadt und Bahn sauber halten und die Leipziger Verkehrsbetriebe halten ein extra Internet-Formular und großzügige finanzielle Anreize für durch treue Bürger_innen geschnappte Sachbeschädigende bereit. Und wer zerkratzte Scheiben auf öffentlichen Verkehrsmitteln für normal hält, wird in Leipzig eines besseren belehrt. Ein einziges Scratching auf einer Scheibe und daneben schon ein LVB-Aufkleber, der entschuldigend den Austausch der Scheibe gelobt. Das Urbane der Gegenwart wird sorgsam aus dem Straßenbild getilgt und der kleingeistigen Provinz Platz zur Entfaltung gegeben. Still muss es in Leipzig sein, wenn die Nacht hereinbricht und nicht gerade 20.000 Gothics durch die Straßen strömen. Andererseits wäre dies auch ein vernichtendes Urteil in derlei Einseitigkeit. Trotz allem ist Leipzig lebendig und durchzogen von Freigeistern. In den Straßen künden ab und zu Bilder und Kreationen davon. Von den, um wichtige Forderungen ergänzten FDP-Plakaten ("Für Gentechnik im Essen") hin zum allbekannten Rage against the machine-Motiv auf der Hauswand, es ist halt doch noch "the battle of L.E." - dass die Kameras, der Zwang und die Kontrolle noch lange nicht gewonnen haben. Das Unfertige, Formbare und der Aufbruch sind an vielen Ecken Leipzigs zu spüren und jeden Tag aufs Neue ringen Urbanität und Provinz miteinander.
Das Wave-Gotik-Treffen passt da ganz gut rein.
Was genau ich mir vom Wave-Gotik-Treffen versprach kann ich gar nicht mehr genau rekonstruieren, ist vermutlich auch gar nicht nötig, denn eigentlich wurden alle Erwartungen nur übertroffen.
Selten hatte das ethnologische Herz so viel Freude beim Austoben - und wird wohl in keiner Szene so offensichtlich fündig, wie in der derzeitigen "Schwarzen Szene". So viele Unterszenen, Weltanschauungen, Lebensweisen und mehrere Jahrzehnte Geschichte geben ihr Halt - auch wenn wenig verbindet, nichts trennt tief genug. Ich selbst verorte mich "nur" in einer der mittlerweile marginalen Bestandteile der Szene. In den wenigen Jahren, in denen Punk zu Gothic wurde, bin ich daheim, die (vor allem deutschen) Dunkelpunkbands wie Fliehende Stürme und EA80 haben nur mittelbar etwas mit Gothic zu tun und doch waren ihre angloamerikanischen Pendants irgendwann mal das was Gothic ausmachte. Dunkler Post- und Wave-Punk, der sich nicht auf Parolen reduzieren ließ und dessen Lebensgefühl intensiv und eigenständig genug war, eine neue Szene zu werden. Neben Vertreter_innen dieser frühen Gothicformen mit hochtoupierten Irokesen, ein wenig Schminke, Buttons und (hoffentlich Kunst-)Lederjacken und alles in allem noch recht punkorientierten Accessoires ist die Szene seit den späteren 80ern und 90ern deutlich vielgestaltiger geworden.
Metal hat genauso Einzug gehalten, wie Mittelalter-Verehrende, Cybergoths kamen hinzu, Barock und Romantik bilden einige ästhetische Bereicherungen, EBM-Leute, die teilweise an den Neonazi-Chic der 90er erinnern und vielfältige Fetisch-Outfits ergänzen das Repertoire, das noch deutlich weiter reicht.
Grob sind mir auf dem Festival einige Trennlinien aufgefallen. Sind durch die Punkwurzeln in den älteren Teilen der Szene Kreativität und schaffende Individualität noch wichtige Werte, ist in neueren Szenen ein beklagenswerter Hang zum Konsumismus zu verzeichnen. Schaue ich mir viele der Cyber-Goth-Outfits an, sind diese höchstens mehr oder weniger geschmackvoll zusammengestellt, bloß gekauft sind all ihre Bestandteile trotzdem. Auch wenn das doch noch ein gutes Stück von Uniformierung entfernt sein mag, Individualität in den verschiedenen Farben der Plastikschläuche in den Haaren, der Kontaktlinsen oder Einsätze in den Schweißerbrillen zu suchen, ist mir dann doch zu wenig. Auch inhaltlich ist diese, vor allem Jüngeren vorbehaltene Szene, nicht besonders ergiebig. Freizügig werden gesamtgesellschaftliche "Schönheits"normen reproduziert und jede_r kann mitmachen, so lange die Figur stimmt. Gesichtszüge wiederum sind egal, ein regelrechter Mundschutzkult verdeckt eh das Meiste. Viele Werte werden hier leicht über Bord geworfen.
EBM wiederum vergisst mit dem Hang zum Militarismus und hypermaskulinem Auftreten einen wichtigen Aspekt vergangener Gothic-Tage: Androgynie. Die sexuelle Offenheit und das Anerkennen verschiedenster Sexualitäten und Geschlechtsentwürfe ist einer der Gründe, warum ich Gothic viel abgewinnen kann. Auch das WGT wirkte auf mich wie ein Freiraum zum experimentieren und ausprobieren verschiedener Körperlichkeiten. Und das hat sich sehr schön angefühlt.
Das explizit Politische der Gothics ist durch Metal, EBM und andere Einflüsse auch immer geringer geworden, Gegenwarts-Kern-Gothics haben kaum politische Standpunkte, die ihnen allen zu eigen wären. Durch die insgesamt höhere Bildung der Durchschnittsgothics können natürlich ähnliche Standpunkte gefunden werden, die jedoch eher auf die Herkunft aus dem Bildungsbürgertum, denn aus der Schwarzen Szene verweisen. Einen Reiz versprüht dieses Gemisch trotz alledem. Denn noch immer sind Individualität und Freiheitlichkeit, Werte die oft vertreten werden. Persönliche Freiheiten spielen in all den - zum Teil kruden - Weltanschauungen eine Rolle und oftmals nicht die geringste.
Bei den zur Schau gestellten Inszenierungen musste ich mich allerdings auch fragen, inwieweit da überhaupt noch ein Sinn für Unangepasstheit besteht. Wiederum die "neueren" Szenebestandteile wankten oft auf den schmalen Graten zwischen persönlicher Ästhetik und Szeneoutfit, sowie sorgsamer Inszenierung und Fasching. Der Trend zu fragileren, täglich wechselnden Szeneidentitäten hat auch hier Einzug gehalten. Mögen die Menschen im Alltag "normal" aussehen, leben sie sich auf solchen Treffen aus. Das macht zum einen den Alltag grauer und die Menschen angepasster. Ich will nicht den befreiendn Charakter einer "Feiertagsinszenierung" leugnen, find es jedoch mehr als schade, dass der Widerstand im Alltäglichen mittlerweile nicht mehr zum Gothic-Standardrepertoire gehört (wobei zu fragen wäre, wie viel da überhaupt jemals über Äußerlichkeiten lief). Konsequente Lebensweise sieht jedenfalls anders aus.
Aber es gab ja auch noch Konzerte. 192 Bands plus minus ein paar sollen dann wohl wirklich dort gewesen sein. Allein die Zahl lässt seufzen. Anstatt jetzt über Preis, Leistung und Un/möglichkeiten zu diskutieren, lieber gleich zu denen, die ich mir angeschaut hab. Mein persönliches WGT-Programm war recht strukturkonservativ, ich hab mir meine Lieblingsbands angeschaut und jene, die ich schon immer mal sehen wollte, aber die mir für ein Einzelkonzert dann doch zu wenig geben würden. Viele sind da leider auf der Strecke geblieben, vor allem von den alten Post-Punk-Bands hab ich deutlich weniger gesehen, als ich gern gewollt hätte - aber da zumindest ich noch nicht die Rezeptur für gleichzeitiges an-mehreren-Orten-sein gefunden habe, muss ich mich mit dem begnügen was ging. Und das war auch schon mehr als in den Kopf passte. Viele Erinnerungen konnten sich gar nicht setzen, weil sie von neueren verdrängt wurden - so intensiv waren diese vier Tage.
Freitag
Nach der freitagmorgendlichen Anreise, dem Versuch Zelte auf Betonboden aufzubauen, dem Eintrudeln der weiteren Zeltgruppenangehörigen und dem Auschecken des Tagesprogramms, ging es erst einmal halbwegs kollektiv zu L'Ame Immortelle. Als nicht sonderlich mit den Szeneschlagern vertraute Person konnte ich damit recht wenig anfangen. Hauptbestandteile waren die ziemlich gut vorgetragene und breit im Gothic ausgefahrene Selbstmitleidsschiene, deutsche Texte, ein Schuss Romantik und wenig Verwertbares. Mir ist vor allem ein ziemlich abstoßendes Selbstverletzungslied in Erinnerung geblieben, welches mir durch Schmerz/Blut/Selbstverletzungsästhetik in Verbindung mit der Vorstellung (sehr junger) psychisch labiler Hörer_innen negativ auffiel.
Unterhaltungswert war trotzdem relativ hoch, aber auch recht eintönig.
Die nächsten in der riesigen Agra-Halle - deren Name eigentlich schon alles sagt - waren Combichrist. Ikonen neuerer Teile der Szene und nichts für mich. Der Anfang war noch recht kraftvoll, aber schnell verlor ich den Gefallen daran. Kann nicht wirklich die Vorzüge dieser Art von Musik erkennen, weil es teilweise noch nicht mal tanzbar klang - was soweit ich das abschätzen kann, ja schon "das" Kriterium zur Güte "solcher" Musik (Wikipedia meint: "Schnittmenge zwischen Aggrotech und Rhythm ’n’ Noise...was auch immer) ist.
Auch wenn ich jetzt vielleicht ungewollt in das Klischee von Elektro vs. Gitarrenmusik reinfalle, aber: ich war froh danach zu einem Konzert einer "richtigen" Band mit "richtiger" Musik zu gehen. Ist natürlich Schwachsinn, aber in dem Moment war der Gedanke sehr erbaulich.
Mit My Dying Bride im Kohlrabizirkus (auch sehr große Location mit riesigem Kuppeldach) waren dann aber doch gleich Menschen angetreten, die ganz andere Ästhetiken pflegten. Gothic, Doom und Metal fanden sich da zusammen zu einer wunderschönen, tief schmerzigen Mischung, welche als große Kunst durchgehen kann. Besonders einprägsam war der blutverschmierte Sänger, dessen Energie die gesamte Veranstaltung trug. Zwischen von Grund auf zerstört, tief leidend, wütendem shouten und den dazugehörigen musikalischen Untermalungen war alles dabei, was ein hochemotionales, technisch gutes Konzert braucht. Eines meiner absoluten Highlights des WGT. Mehr als beeindruckend.
Samstag
Samstag stand im Zeichen eines umfassenderen Herumstreunens in Leipzig. Gleich morgens wollten wir uns Krabat im Kino in der Innenstadt anschauen, leider waren viele andere auch auf die Idee gekommen und die Vorstellung war bereits "ausverkauft". So schauten wir kurz bei der Absintherie Sixtina vorbei und brunchten später an der Thomaskirche. Eine Spaltung später spazierten wir durch den Kulturpark Clara-Zetkin und hörten schon von weitem The Prostitutes. Die Getränkebeschränkungen veranlassten uns, dem Ganzen nur akustisch zu folgen, klang trotzdem ziemlich schön. Schön synthie-post-punkig alt.
Danach folgten Zin, ein Leipziger Placebo-Verschnitt und Mono Inc.. War beides eher unspannend für mich. Kann auch dran liegen, dass sie nur die Zeit bis Die Art verkürzen sollten. Jene wiederum haben ein sehr schönes Konzert hingelegt. Spielten sie zu Beginn Lieder vom neuen Album, denen ich erstaunlich wenig abgewinnen konnte, verlagerten sie den Schwerpunkt glücklicherweise recht schnell auf die vielen Klassiker. Höhepunkt war für mich wie immer "Das Schiff". Aber auch "Eternal Fall" und andere trugen zum gelungenen Gesamtbild bei. War das schon sehr schön, stellte sich jedoch kurz darauf eine bedeutendere Frage:
Wie könnte ich von einem Festival schwärmen, auf dem mir nicht mindestens ein Konzert begegnet ist, das mich tief bewegt und berührt hat?
Diesen Part durften auf dem WGT Theatre of Hate übernehmen. Die hießen bis 1983 so, waren vorher The Pack und machten danach als Spear of Destiny weiter. Die Besetzungen wechselten, Kirk Brandon der Sänger, war und ist das Zentrum. Ich kannte "Propaganda" von Youtube und war von diesem so begeistert, dass ich das Konzert gern sehen wollte. Schwankend, ob sich diese Odysee lohnen würde, hetzten wir dann doch noch von der Parkbühne los und kamen pünktlich zur Mitte des ersten Liedes im Felsenkeller an. Diese schöne Location, mit einer großen Tanzfläche und links und rechts jeweils Emporen, war gesäumt von lauter Dunkelmenschen der alten Tage. Es war sehr beruhigend zu sehen, dass nicht überall nur Cybergoths, Metalheads und Mittelalterfreaks rumhingen, sondern auch Batcave und Dunkelpunkgestalten wenigstens noch ihren Weg aufs WGT finden. Wenn vermutlich auch nicht mehr so zahlreich wie früher.
Wie schon angedeutet, war der Auftritt sensationell. Auch wenn viele der Spear of Destiny-Lieder Saxophon- und Backgroundsängerinnenuntermalt sind, war die klassische Bass, Gitarre, Drums, Sänger-Konstellation anzutreffen. Die Lieder waren ein Streifzug durch viele Zeitalter des Kirk Brandon-Universums und vermochten allesamt durch seine außergewöhnliche Stimme zu begeistern. Wenn er nur lange genug einen Ton hielt, kam die Gänsehaut von ganz alleine. Das lässt sich mit Worten kaum beschreiben, wie intensiv seine Stimme es vermochte, Zeit und Raum zugunsten eines unbestimmten Glücksgefühls verschwinden zu lassen. Höhepunkt war für mich eindeutig das Stück "Grapes of Wrath". Das Lied an sich ist bereits wunderschön, die Darbietung auf dem WGT fügte dem noch viele Facetten hinzu. Viel löste es in mir aus. Am Ehesten lässt sich das vielleicht damit beschreiben, ein verloren geglaubtes Fragment einer glücklichen Zeit wieder zu finden, eine Erinnerung an die oft übertrieben als glückselig stilisierte Kindheit - wobei es mehr Ahnung denn Erinnerung an jenen imaginierten Zustand ist, der sich so vollkommen und nur in den Grenzen des Bewusstseins anfühlbar darstellt. Eine Grenzerfahrung der ganz besonderen Art. Vermutlich auch dadurch begünstigt, dass ich das Lied vorher nicht kannte. Danach kam noch mein eigentlicher Liebling Propaganda. Leider vermochte es seine Stimme nicht mehr, die Dramatik des Stückes und seiner wunderschönen Variation ganz zu halten - wobei das wohl auch schwierig sein dürfte. "Do you believe in the Westworld" bildete den Abschluss.
VNV Nation in der Agra-Halle waren dann die letzten für unseren Abend. Vorher noch das Publikum des Feindflug-Konzertes hinausströmen gesehen und froh woanders gewesen zu sein. VNV Nation waren zu recht Headliner des Tages, sehr gute elektronische Musik paarte sich mit einer ausstrahlungsstarken Livedarbietung selbiger. Für mich nicht weltbewegend, aber sehr schön anzuschauen.
Sonntag
Der Sonntag wurde eröffnet durch einen Besuch des Heidnischen Dorfes. Acht Euro Eintritt bezahlen Menschen ohne Festivalbändchen. Ganz schön unverschämt. Unverschämt deshalb, weil die Leistung eigentlich nur darin liegt, Einlass in eine (wenn auch sehr schick) dekorierte Konsumwelt zu verschaffen. Na gut, vermutlich gibt es Menschen, denen sehr viel an ihrem Eskapismus liegt und die da viel Freude dran finden. Eskapismus ist glaub ich ein ganz gutes Stichwort. Wikipedia sagt: Als Eskapismus, Realitätsflucht oder Wirklichkeitsflucht bezeichnet man die Flucht aus bzw. vor der realen Welt und das Meiden derselben mit all ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklichkeit (imaginären Wirklichkeit). Ich sage, genau das und noch viel mehr war dieser Mittelaltermarkt. Exemplarisch kann ich das vielleicht am Grad der Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere verdeutlichen. Viele Stände glorifizierten Produkte tierlicher Herkunft aus einem seltsamen Gemisch von Mythos und Gewaltkult heraus. Dass die meisten Menschen des Mittelalters aufgrund ihrer landwirtschaftlichen Gebundenheit nur zu hohen Feiertagen Fleisch und andere Tierprodukte konsumierten, wirft ein elitäres Licht auf Schwein vom Spieß etc. und ihre verkleideten Henker_innen. Dass diese Tiere vermutlich in der gegenwärtigen Massentierhaltung groß geworden sind, passt wieder zur verklärenden Realitätsflucht. Kitschige Kostüme erinnern an die Einbildung und Romantisierung einer ebenfalls gewalttätigen Vergangenheit. Auch wenn mein Wissen über heidnische Religionen beschränkt ist, bin ich relativ überzeugt davon, dass emanzipatorische Ansätze aus diesem Gedankenspektrum heraus, mit der Lupe gesucht werden können. Alles in allem ziemlich unangenehm. Zumal es wie gesagt, großteils ein absolutes Konsumfest war. Es gibt glaub ich so einige andere Zeitalter und Denkformen, in die zu flüchten sich mehr lohnen würde...
Später am Tag dann wieder etwas ungleich Positiveres. Fliehende Stürme, mal wieder einer der Gründe irgendwohin zu gehen, spielten in der riesigen Agra-Halle. Vorher saßen wir noch mit einem feinen Sternburg Export in der knallenden Sonne am Rand der Flaniermeile und haben uns satt geschaut. Auch wenn das mit dem Auftritt alles ein wenig skurril wirkte (viel zu große Bühne, viel zu große Halle, monströse Soundanlage), war es ein toller Auftritt. Auf 40 Minuten heruntergebrochen, war alles dabei was nie fehlen darf. Ein Schluck Bier und ein Dankeschön waren die einzigen Unterbrechungen eines Sprints durch alle Schaffensphasen. Beste Pogo-Stimmung, einige ruhige Momente und viel Gefühl. Brachte der Gedanke an die Kürze des Auftritts vorher noch ein unmutiges Grummeln hervor, so war dieser Extrakt eine mehr als gelungene Abwechslung zu den normalen Auftritten (auch wenn ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, aber ich sollte sie kurz danach eh in gewohnter Länge in Potsdam sehen. So kanns gehen).
Danach noch für Frank the Baptist geblieben. War allerdings relativ blöd gelaufen. Die anfänglichen Lieder waren recht lahm, vermutlich war ihr Programm auf Spannungsaufbau ausgelegt, denn die letzteren wurden langsam besser. Doof an dem Konzept nur, dass sie sich in der Zeit verschätzt hatten. Sie wurden abgewürgt und mussten gehen, bevor sie ihre bekanntesten Sachen spielen konnten. Schade eigentlich.
Den Abend für uns beschlossen ASP. Darüber werd ich jetzt gar nicht viele Worte verlieren. Für einen Gothic-Headliner gehören sie zu den sympathischeren. Konsequent für Indvidualismus und gegen regressive Tendenzen in der Gothic-Szene positioniert (z.B. mit dem Konstantin Wecker-Cover "Sage nein"). Musikalisch überzeugten sie mich nur teilweise. Dafür war die Bühnenshow mehr als groß. Würde ich auf Entertainment stehen, wäre dieses Konzert wohl ein persönliches Highlight des WGT gewesen. So empfand ich die meterhohen Feuerwände nur als Augenwischerei. Ohne dieses Getrickse wäre jedoch trotzdem ein solides und zu Teilen echt schönes Konzert einer wichtigen Institutionen des deutschsprachigen Gothics übrig geblieben.
Montag
Am letzten Tag nun war aufräumen, packen und letzte Pläne machen angesagt. Nach dem Verabschieden schaute ich mir noch Inkkubus Sukkubus, Nosferatu und UK Decay auf der Parkbühne an. War eigentlich wegen UK Decay dort, aber das hätte ich mir wohl auch sparen können. Die beiden anderen Bands kannte ich vorher nicht und fand sie auch nicht sonderlich weltbewegend und bei UK Decay hatte dann nicht mal mehr das Wetter Lust und so blieben nur die Feststellungen, dass UK Decay großteils nicht tanzbar war, der Sänger ein ziemlicher Freak war (im positiven! Erinnerte mich manchmal sehr an Junge von EA80 mit seinen Akrobatiken und "Einfällen") und Regen naß ist.
Der Rest der Gruppe war zwischenzeitlich dann doch noch bei Qntal reingekommen und so ging ich noch eine Weile durch das bereits sommerlich angehauchte Leipzig, das statt Regen Sterne bereit hielt. Irgendwann setzte ich mich auf die Treppenstufen eines Gebäudes, das sich mir erst später als die geschichtsträchtige "Runde Ecke" offenbart. Schräg gegenüber war das Schauspielhaus und bevor wir Leizpig nun verlassen wollten, hatte ich so schon etwas Gelegenheit die letzten Tage Revue passieren zu lassen...
Sonntag, 5. Oktober 2008
Fliehende Stürme & Die Angst in der Chemiefabrik Dresden
Manchmal ist Timing einfach alles. Manchmal sind solche Sprüche aber auch der absolute Schwachsinn - wie so vieles.
Jedenfalls hat mich der Berlin-Koller diesmal im exakt richtigen Moment getroffen - nämlich erst kurz vor der Abreise Richtung Dresden. Klappt halt doch. Manchmal.
Der Grund Hauptstadt gegen Landeshauptstadt zu tauschen war offensichtlich ein gewichtiger. Fliehende Stürme. Das letzte Mal in der "alten" Besetzung - also jene, die ich live seit meinem ersten Stürme-Konzert gewohnt bin. Spät geboren halt.
Dank Deutscher Bahn endete die Fahrt vorerst in Coswig. Ostdeutsche Provinzbahnhöfe sind doch das Coolste. "Sie haben noch Anschluss an Oberlippenbartensemble und Intoleranz mit erhöhter Wahrscheinlichkeit neonazistischer Übergriffsszenarien". Vielen Dank Lügen-Schaffnerin, nix mit S1 nach Schöna. Nach dem ersten Grummeln jedoch eine hauptstadtarrogante Überraschung - nur eine halbe Stunde bis zur nächsten S-Bahn. Hammer. Mensch rechnet ja immer mit dem Schlimmsten außerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes, hehe.
Jedenfalls kurz darauf in der Dresdener Neustadt aufgeschlagen und gerstensaftversorgt ab in die Chemiefabrik. Sehr netter Laden und gleich für perfekte Ausgangsbedingungen gesorgt. Sternburg Export im Thekensortiment, dazu Stürme und Die Angst, das gabs doch schon mal...damals in Potsdam. Und, wie sollte es anders kommen, wurde auch dieses eines der schöneren bis schönsten Stürme-Konzerte.Allerdings mit einem bitteren Nachgeschmack...
Die Angst. Ja, der Name passt, denn nachdem ich jetzt weiß, was mit denen geht, bekomme ich es doch auch ein wenig mit der Angst zu tun. Einer von denen spielt auch bei Sonne Hagal und die hängen in dieser ganzen Neofolk-Nazikacke tief mit drin. Ausführlicheres gibts beim Ex-Die Angst-Label: Thought Crime Records
Da schreib ich was über Neo-Nazis in der Provinz und schau mir selber einen auf der Bühne samt Band, die sich dazu nicht äußern will, an. Zum kotzen.
Schon erstaunlich, dass das so wenig bekannt ist. Denn auch wenn ich die Chemiefabrik nicht kenne, so wirkte sie auf mich doch wie ein liebenswürdiger Rückzugsort linker Subkultur(en). Und wissentlich hätten die so einen Gig sicherlich nicht durchgehen lassen. Krasse Scheiße jedenfalls. Den Rest, den ich über die Angst schrieb, lösch ich raus. Mich würde nur interessieren, wovon eines ihrer Lied handelte, in dessen Refrain "Auschwitz" und "Bergen-Belsen" fielen. Mehr war nämlich für mich nicht zu verstehen und nach diesen Erkenntnissen wirkt das doch mehr als zynisch alles...und es zeigt, dass der Grat zwischen "dunkler" Musik und religiösen/ rassistischen/faschistischen Ideologien unglaublich schmal ist. Unpolitisch gibts halt doch nicht. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es gut, dass Fliehende Stürme auf ihrem neuen Album wieder deutlichere Worte finden, die an die guten alten Chaos Z-Tage zurückdenken lassen:
Hör nicht hin/ Nur noch Wut/ Es ist falsch/ Leerer Raum/ Immer das Gleiche/ Schon gelebt/ Keine Heimat/ Nicht existiert (Fliehende Stürme - Ex-ist)
oder halt die klassische Absage an Deutschland und den ganzen dazugehörigen Dreck:
"Ich glaube nicht an dich/ Ich spucke dir ins Gesicht/ Und mich, mich kriegst du nicht" (Chaos Z - Krass)
Aber, da ich das ja wie gesagt das alles erst hinterher erfuhr, ging der Abend unbetrübt und gutgelaunt weiter:
Und die Stürme. Dürfte mein neuntes Konzert mit ihnen gewesen sein. Sehr beruhigend zu wissen, welche Auswirkungen ein Stürme-Konzert haben kann und wird. Die entnervenden Tage und Wochen vorher mit sternburgbelasteter Stürme-Athmosphäre weggespült - einfach eine perfekte Entgiftungs- und Entrümpelungskur gegen Berge aus kontaminiertem Gedankenmaterial. Und mit der Gewissheit, dass das passieren wird, lebt sichs doch gleich viel freier.
Jedenfalls waren mal wieder all die essentiellen Bestandteile eines Stürme-Konzertes vertreten und auch die zusätzlichen Liedelchen trafen meinen Geschmack. Von "das Chaos brütet" über "Alles Falsch", "An den Ufern" und "Tag der Armut" bis hin zu "Die aus dem Schatten springen" und "Killerblau" riss jedes Lied tiefere Furchen in die Kehle, welche von der ersten bis zur letzten Zeile jedes Lied der Bühnen-Klangwand entgegenschleuderte.
Leerschreien. Was für ein befreiendes Gefühl.
Erstaunlich, dass ich danach kein bisschen heiser war.
Auch von den neuen Sachen wurde viel gespielt. "Lunaire" und "Bakterien", aber auch "Erinnerung", "Kind" und so weiter. Die Mischung hat gestimmt - weil sie einfach ganz viel gespielt haben. Sie konnten sich zwar nur zu zwei Zugaben überreden lassen, aber das hat schon gepasst, denn die wichtigsten Lieder fielen ja bereits.
Was mir mal wieder besonders positiv auffiel ist die beinahe Unsichtbarkeit der Band. Sie kommen auf die Bühne, wünschen einen guten Abend, trinken ihre Biere, rauchen ihre Zigaretten, sagen wie das nächste Lied heißt und spielen es runter. Irgendwann wünschen sie eine Gute Nacht und "kommt gut nach Hause" und das wars dann.
Keine bescheuerten Ansagen, keine unnötige Selbstdarstellung, keine "Choreographie". Einfach nur Fliehende Stürme. Texte und Musik reichen aus, um alles zu (er)klären.
Mehr bedarf es nicht.
Das beeindruckte mich schon beim ersten Mal. Und das wird es noch oft tun. Auch wenn es mittlerweile dank Routine nicht mehr dasselbe ist, wie vielleicht das erste oder zweite Mal - so bleiben es doch immer wundervolle Momente der Weltentbundenheit, um nicht zu sagen Freiheit. Oder noch pathetischer: Dunkelfreiheit. Ja, vermutlich relativ genau so:
"Ich will durch die Zeiten wüten - nichts tun, was mir nicht gefällt
Whiskey trinken in der Hölle - Stimmung ist so killerblau
Drück mich kräftig doch halt mich nicht zurück
Drück mich kräftig - ich suche das Glück"
Sonntag, 29. April 2007
Fliehende Stürme + Die Art in Chemnitz
Der Südbahnhof Chemnitz. Sonst scheint da nur Techno zu laufen und die 16 Euro pro Karte waren für Stürme auch mehr als happig. Aber es sollte ja auch noch die Re-Union von "Die Art" geben. War mir zwar bis dahin leider nur ein Name im Ohr und leider keine Melodie dazu. Egal. Stürme allein reichten zum hingehen (und den Rest könnte mensch ja dankbar noch mitnehmen...) Nur ärgerlich, dass die Stürme Support und somit zeitlich limitiert sein würden. Keine sonderlich guten Aussichten für mein fünftes Stürme-Konzert.
Denkste.
Aber von vorn. Der Laden war einfach riesig für meine Begriffe. Vorher hatte ich was von 800 zu verkaufenden Tickets gehört. Tausend Menschen hätten sicher Platz gehabt. Den Beginn machten Substance of Dream, die scheinbar einen Total-Austausch hinter sich hatten. Drummer ist geblieben, Sänger durch Sängerin ersetzt, der Basser war auch neu und früher waren die doch bloß zu dritt?!? Da war so einiges anders und doch auch gar nicht. Substance of Dream sind die ewige Vorband. Sie machen ja keine schlechte Musik, aber es geht einfach nicht mehr. Bei ihnen kommt keine Stimmung auf, niemand geht mit, mich würde das frustrieren...und so auch in neuer Besetzung. Der Bassist mit entblößtem, durchtrainiertem und glattrasiertem Oberkörper schien wohl nur wegen seines Aussehens in die Band gekommen zu sein, die Frage warum es plötzlich eine Sängerin gibt, dürfte sich wohl ähnlich beantworten lassen.
Nach technischen Problemen und der Einsicht, dass auch das neue Material von der "Körper ohne Namen" Split-CD mit Fliehende Stürme leider nicht das halten kann, was es versprach, waren sie dann auch schon verschwunden. "Höllengott" und "Paradise" höre ich trotzdem jedes Mal wieder gern. Schon allein deswegen ist es mir ganz recht die immer im Vorprogramm zu haben.
Dann eine Überraschung. Nicht die Stürme kamen. Nein. Die Art gab sich die Ehre. Was zuerst nur Konfusion hinterließ, wich schnell Begeisterung. Im Sturm haben mich die in Würde gealterten Musiker für sich vereinnahmt. Die rauchig-tiefe Stimme des Sängers, der wie die Ost-Kopie von Mick Jagger aussah (Mick für die Kohle, der "Art"-Sänger für die Kunst), dazu die tiefschwarzen Texte, ein atemberaubend hartes Schlagzeug und Melodien, die zumindest für meine Begriffe relativ komplex anmuteten und sich doch tief in den Gehörgang zu fressen vermochten. Für mich eine absolute Neuentdeckung, für große Teile des Publikums die Helden vergangener Zeiten. Da konnten Menschen jenseits der Vierzig beim exzessiven Pogo-tanzen und mitsingen genauso beobachtet werden, wie in Erinnerungen schwelgende Elterngenerations-Pärchen, die Augen geschlossen und genießend.
Nicht nur musikalisch ist die Nähe zu den Stürmen nicht zu verleugnen. Auch ihre Wirkung auf das Publikum ist ähnlich. Und das hat mich sehr berührt. Ihre Musik scheint vielen der Anwesenden viel gegeben zu haben.
Dunkel, schwer, hart, wütend. Diese Musik hat ihre Nische gefunden. Dort wo keine Szene hinkommt. Vergleiche zum Status der Stürme oder EA80 halte ich für durchaus angebracht.
Und wenn wir schon bei den Stürmen sind, die haben ja auch noch gespielt...ich weiß nicht wie lang die Art gespielt hat, vermutlich war es mittlerweile schon nach eins, als Fliehende Stürme begannen. Gleich mit "Trümmergemüt" eingestiegen. Wie immer dreimal so schnell wie normal. Und brachial.
Und doch...es war...anders. Nicht bedeutend, aber ein wenig Glanz ist abgesplittert.
Was ich an Stürme-Konzerten so liebe ist, dass ich mich komplett verlieren kann. Keine Gedanken, keine Erinnerungen, kein Ich. Es ist alles weg und nur die Musik ist noch da. Dieses Gefühl stellt sich für gewöhnlich erst sehr spät im Verlauf eines solchen Konzertes ein. Diesmal kam es bereits mit dem vierten oder fünften Lied. Umarmung.
Und doch war es schwer sich zu konzentrieren. Ein betrunkener Idiot, der die Band auf der Bühne gestört und im Publikum andere Menschen belästigt hat und dann auch noch diese Leere. Es waren schon Viele gegangen. Und diese Riesenhalle viel zu groß. Gegen Ende wohl nur noch Hundert, bei zehnfachem Fassungsvermögen. Eigentlich schade.
Aber es kam ja auch noch SchlafWandel. Mein Lied. Für feuchte Augen. Und Glückseligkeit. Wenn ein Lächeln nicht mehr gestellt ist oder aus der Situation entsteht. Nein, wenn die Seele so stark lächelt, dass sie die Mundwinkel nach oben zieht. Mit geschlossenen Augen genossen da zu sein. Ein Lied gegen die Ewigkeit.
Und drei Zugaben morgens um drei. Satellit, Die aus dem Schatten springen und Maschinentrauma. Der blanke Wahnsinn. Ein guter Begleiter auf dem Nach-Hause-Weg für die heisere Stimme und die rauchzerstörten, erkältungsgeplagten Bronchien. Gerade Die aus dem Schatten springen. Es ist live einfach nur so großartig...
Zurück zum Bahnhof mit den beiden Menschen, die wir im Zug hinzu kennengelernt haben und nach einer wundervollen Nacht mit dem Morgen gegen Sechs ins Bett gefallen.
Alles in Allem fand ich besonders "Die Art" genial. Sie haben an diesem Abend sogar meine geliebten Stürme übertrumpft. So extrem muss erst einmal eine Band meine getrübte Wahrnehmung beeinflussen können...
Der Spruch des Abends kam jedoch vom Stürme-Andreas:
"Nichts gegen euch,aber paar Tage in Deutschland und ich muss
dieses Lied einfach wieder spielen...Alles Falsch..."
"Vielleicht bin ich zu früh gebor'n
Oder alles ist zu spät
Diese Zeit gefällt mir nicht
Vielleicht ist dies die falsche Stadt
Oder gar das falsche Land
Dieser Ort gefällt micht nicht"
(Refrain aus "Alles Falsch")
Sonntag, 19. März 2006
Fliehende Stürme in Chemnitz am 18.3.2006
Nach einer zwar etwas planlosen, doch dafür erstaunlich perfekten Anfahrt, ging es nach Chemnitz in den Bunker, einer unterirdischen Location, von allen Seiten von Plattenbauten umzingelt. Gut getarnt jedenfalls. Ganz ungewohnt für ein Stürme- Konzi stolze 10 Euro Eintritt bezahlt und dann auch gleich unters wieder recht bunt zusammengewürfelte Volk gemischt. Der Altersdurchschnitt lag jedoch bedeutend höher. Substance of Dream kamen beim Publikum gut an und der Sänger quittierte es mit einem „Ihr seid zauberhaft“. Routiniert wurde das Programm inklusive Scheinwerferrumfuchteln und Nebel durchgezogen. Meine Lieblinge Paradise und Höllengott waren natürlich auch wieder dabei. Nach einer Zugabe ging es dann auch recht plötzlich mit den Stürmen weiter. Viele Lieder vom neuen Album wurden gespielt, die auch alle recht gut ankamen. Musikalisch war es diesmal eher minimalistisch. Soll heißen, dass die Melodien doch recht selten voll kamen und nur die gute Schlagzeugarbeit das Ganze wieder so genial gemacht hat. Mehrere Gitarrensaiten mussten dran glauben, so dass Andreas im Laufe des Abends nach der E- und der halbakustischen auf die Gitarre von Substance of Dream umsteigen musste. Unterhaltsam war es allemal. Und das ganz Besondere an einem Fliehende Stürme Konzert sind sowieso die Lieder, welche man bei keinem „normalen“ Punk-Konzert bekommt.
Himmel steht still stand da diesmal an vorderster Front (weil zu meinem Bedauern SchlafWandel nicht kam). Einfach fallen lassen, in Trance versinken und einmal wieder spüren wie gut es doch tut am Leben zu sein. Für solche Momente lohnt es sich doch noch, das alles.
Aber da das ja immer noch ein Punk-Konzert war, gab es natürlich auch wieder die hammergeilen Pogo-Knaller wie Zwischen Liebe oder Das Chaos brütet. Diesmal besonders krass war Trümmergemüt, welches statt der üblichen sechs Minuten, nur zwei bis drei benötigte und dementsprechend abging. Viel getanzt und heiser geschrieen und gemerkt wie sehr doch die eigene Kondition gelitten hat. So fast zum Schluss kam dann noch Kleines Herz, welches nie zu enden schien und das war auch gut so. Auf die alten Tage wurde noch Trinkerherz zelebriert und ich ging mit dem beglückten Gefühl, wieder einmal bei einem großartigen Konzert gewesen zu sein, nach Hause. Na gut, wir sind gefahren und die Bullen waren noch am stressen, aber Fliehende Stürme war es wert.
Die Vorfreude auf Fliehende Stürme und das Force Attack beherrscht von nun an alles.
Und ich warte immer noch darauf Wetterleuchten und Ein Tropfen im Feuer irgendwann einmal live zu sehen...
Kind
Das Nullsignal
Umarmung
Status
Trümmergemüt
Tag der Armut
Zwischen Liebe
An den Ufern
Höhlen sind dunkel
Springen
Spieler
Systemstörung
Killerblau
Trinkerherz
Kleines Herz
Himmel steht still
Maschinentrauma
Satellit
Das Chaos brütet
Alles falsch
(Notiz: *lach* ganz schön peinliches Review...hammergeil wie das abging *g* ...aber ich lass das einfach mal ohne jede Veränderung so stehen...vielleicht auch gerade deshalb.)
Samstag, 5. November 2005
Fliehende Stürme in Glauchau am 4.11.2005
Ein Erlebnisbericht zum Konzert der Fliehenden Stürme in Glauchau am 4.11.2005
Ich schließe meine Augen und höre eine Melodie, die Erinnerung steigt auf...
Was war das nur für ein Abend? Ich denke und denke, doch es will nichts anderes mehr aus dem Kopf fließen außer einem unbestimmten Glücksgefühl erinnere ich mich an jenen 4.11. zurück. Fliehende Stürme in Glauchau. Endlich würde der lang gehegte Traum, meiner Lieblingsband (große musikalische Liebe passt wohl eher...) einmal leibhaftig gegenüberzustehen, Wahrheit werden. Ich war bereits Wochen zuvor (positiv) aufgewühlt wie schon lange nicht mehr, sollte es doch der Abend der Abende werden, aus mehreren Gründen.
Wir waren viel zu zeitig da, trotzdem gabs bei Plus nur noch drei Sternburg Export für uns Vier. Aber das war auch egal,denn schon zu diesem Zeitpunkt war alles umgeben vom unnatürlichen Glanz der Vorfreude. Irgendwann gegen Zehn ging es dann auch endlich los. Die Räumlichkeiten des Café Taktlos in Glauchau mochten recht klein sein, ich fand es jedoch sehr gemütlich und familiär. Auch die Atmosphäre war entspannt und wirklich nett. Stärker als erwartet, wurde das Publikum von Punks bestimmt, Gothics waren nur wenige anwesend. Schon daran sieht mensch,dass die Fliehenden Stürme, trotz der musikalischen Nähe zum Gothic, noch fest in den Punkgefilden verankert sind. Insgesamt war es eine merkwürdige,aber sehr interessante (und der Band Rechnung tragende) Zusammensetzung des Publikums, stand mensch doch zwischen einem vielleicht vierzehnjährigen Iro-Punk mit einer „Ich bin Müll, doch ihr seid dreckig“ -Aufschrift auf der Lederjacke und einem Herren, der wohl schon an der Fünfzig schnuppert und spontan als unauffälliger Durchschnittsmensch kategorisiert werden würde.
Nun denn, Substance of Dream, welche sich den Drummer mit Fliehende Stürme teilen und deshalb eigentlich immer mit von der Partie sind, begannen den Abend mit Klängen der Gothicwelt.. Die Reaktionen des Publikums dementsprechend auch eher verhalten, mir gefielen sie jedoch wirklich gut und ich kann die Hinderungsgründe auch gar nicht so genau benennen, die mich davon abhielten eine CD von ihnen im Schrank zu haben (okay, es ist der Geiz). Schön hart, schön melodiös, schön dunkel spielten sie routiniert ihr Programm runter bis sich dann irgendwann ein wohlbekannter Kahlkopf aus dem Publikum löste und die Bühne stürmte. Andreas nahm den Bass und spielte noch ein wenig mit, bis dann zu „Krass“ von Chaos Z angestimmt wurde. Erstaunlich wie schnell doch eine Menge zum kochen zu bringen ist. Aus unzähligen Kehlen kam der Text und Pogo-Stimmung war schon zu spüren. Mit diesem Lied verabschiedete sich Substance of Dream und machte die Bühne frei für die Helden des Abends. Schon die ersten Sekunden Fliehende Stürme brachten die Ekstase und ich schien damit nicht allein dazustehen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass zu FS pogo-tauglich wäre, aber ich war auch schon mittendrin als mir dieser Gedanke kam. Es folgten mehrere Stunden Entfremdung von der kalten Wirklichkeit. Die Verse kamen stoßweise aus der Kehle und ersetzten das Atmen, der Körper, ständig in Bewegung, dachte gar nicht daran stillzustehen und der Pogo war ein sehr freundlicher. Der Schweiß floss in Sturzbächen.Unterbrochen wurde das Schauspiel nur von Liedern wie SchlafWandel, bei denen nicht nur ich mich einfach fallen lassen konnte und alles, außer dem unbestimmten Glücksgefühl auf einem Stürme-Konzert zu sein, vergessen konnte. Augen zu und weggetaucht. Es war perfekt. Nur, dass ich die wirkliche Qualität der Darbietung überhaupt nicht objektiv beurteilen kann. Zu parteiisch, zu eingenommen war und bin ich von dieser Band und anstatt der befürchteten Ernüchterung nach dem Konzert, sind sie in meinen Augen nur noch größer geworden als zuvor. Und ich brenne schon auf die nächsten Konzerte.
Ich wünschte, ich könnte dich wieder sehen,doch ich kann nicht bleiben, ich muss jetzt gehen....
Irgendwann jedoch, muss ein jeder Traum einmal enden und so auch dieser. Es gab eine Zugabe, dann verließen die Drei die Bühne um noch zweimal wiederzukehren und jeweils ein Lied zum Besten zu geben. Pünktlich um zwei Uhr war es dann endgültig, der Abbau begann. Und ich (total heiser und erschöpft) musste, genau wie alle anderen den Boden der Realität wieder unter den Füßen spüren...
So ist das wohl das Ende,ich mache mich auf den Weg...
Anbei eine (vermutlich unvollständige) Liste der gespielten Stücke des Abends:
Springen
Alles Falsch
Das Chaos brütet
Maschinentrauma
Tag der Armut
Gestern
Satellit
Zerstörung
Kind
Zwischen Liebe
An den Ufern
Systemstörung
Himmel steht still
Spieler
Blauer Mond
Killerblau
Schlafwandel
Mein langsamer Tod
Die aus dem Schatten springen
Höhlen sind dunkel