20.2.2008 Senore Matze Rossi & Gaston im Flower-Power Leipzig
Bereits viele Wochen zuvor begann das Grübeln. Das Grübeln, dessen Ursprung in jenem unglückseligen Abend seinen Ausgang fand, an dem Senore Matze Rossi zusammen mit Turbostaat im Conne Island (ebenfalls Leipzig) spielten und mich beide Bands so bodenlos enttäuschten. Turbostaat hatte einfach mit dem Major-Deal auch ihre Musik und Textlichkeiten gewandelt, der Matze - D.I.Y. wie eh und je - nur wieder eine härtere Gangart gefunden, die mich nicht für sich zu gewinnen vermochte. Denn sie klang für mich wie ein schlechter Neuaufguss von Tagtraum. Damals.
So stand die Entscheidung im Raum, ihn in Leipzig zu sehen und nur durch Zufall (es sah so aus als wollte niemand mit zu Anti-Flag gehen...) bin ich dann doch schon nach Leipzig gefahren. Es sollte sich lohnen und alle meine vormals getroffenen Einschätzungen über den Haufen werfen.
Als wir eintrafen, stand der Matze vor dem Laden und redete. Ein wenig beklommen verharrend, betraten wir dann das durchaus hübsche kleine "Flower-Power" in der Riemannstraße. Die Decke ist übersäht mit Stoffblumen, an den Wänden psychedelische Motive und eine sehr angenehme (wenn auch nur Pseudo-) Hippie-Atmosphäre. Der Tischkicker wurde kurzerhand zum Merchandise-Stand umfunktioniert und die "Bühne" gleich rechts vom Eingang umfasst eigentlich nur das Schlagzeug und für die drei Gitarrenmenschen genügend Quadratzentimeter zum Stehen.
Es waren nicht zu viele Menschen anwesend, aber auch nicht zu wenige. Genau so wie es eben sein muss.
Die nächste Überraschung war der fehlende Eintritt. Matze für lau inna Kneipe, boar.
Es dauerte nicht lange und die vier standen in den Startlöchern (bzw. haben tollkühne Klettereien über Equipment & Schlagzeug überlebt).
Pause. Tief durchatmen.
Was ich dann erleben sollte, ähnelt stark dem Gefühl, welches ich empfand, als ich ihn das erste Mal sah. Damals kannte ich ihn nur von Tagtraum und bin an jenem unglückseligen Tage nur auf Empfehlung zu dem Konzert gegangen (01.04.2007 im Kato Berlin). Ich wurde von seiner Stimme, seinem Auftreten und seiner ganzen Art einfach nur überwältigt. Es war so unglaublich intensiv, wie wenige Konzerte davor oder danach. Besonders "In Armen" war in seiner Emotionalität damals für mich einfach nur überfordernd. Und gnadenlos wunderschön (ja ja, überkitscht blabla...Kopf, halts Maul!).
Ähnlich ging es mir auch diesmal. Nicht ganz so emotional von meiner Seite aus, aber der Glanz und das Wunderschöne blieben doch - oder besser gesagt - kehrten zurück. Die neuen Lieder wirkten unverhältnismäßig großartiger als das letzte Mal. Nicht nur, weil ich bloß zwei-drei Meter vom Matze wegstand und die Texte großteils verstehen konnte, sondern auch weil der Sound ein ganz anderer war. Keine brutale Stadionbeschallung wie im Conne Island (die vermutlich schon auf Turbostaat abgestimmt war). Auch keine riesige Bühne, kein Rockheld-Habitus, sondern einfach "unser" Senore Matze Rossi & Gaston. Die lieben Musiker von nebenan, die einfach Musik machen, weil sie Freude daran haben. Und die steckt an, garantiert.
Noch ein paar Sätze zu den neuen Liedern. Sie sind - dafür dass mein erster Eindruck so negativ war - erstaunlich gut. Also richtig gut. Oftmals ein kräftiger Schuss alter Punk-Mentalität mit Ansagen a la "D.I.Y. till death" oder einem großen "Fickt euch" an die Leute, die meinen, diese Art von Musik im Allgemeinen und den Matze im Besonderen kritisieren zu müssen ("Ich lasse mir nichts mehr nehmen"). So lange Musik aufrichtig ist und sich auf Herz und Verstand speist, kann sie nicht wirklich schlecht sein. Und das war und ist sie auch nicht. Wird sie wohl auch nie werden.
Ja klar ist das nicht das Höchste der Kunst und Philosophie, manchmal gar recht billig, könnte jetzt eingewandt werden, aber was bedeutet das schon?
Die Lieder gewinnen ihre Schönheit aus ihrer Unmittelbarkeit und nicht aus ihren lyrischen Verrenkungen. Lieber ein "Idiot auf meinem Hügel", der sich eingesteht nicht unfehlbar zu sein, als (pseudo-)intellektuelle "Höhenflüge", die rein gar nichts mit mir und dir zu tun haben (jaja, existenzberechtigt sind sie schon und manchmal mag ich das ja auch...). Nein, so wie der Matze das macht, ist das fein. Ehrlich und (auch wenn ich mir das vielleicht nur einreden mag) auch wieder eine Spur politischer.
Um es kurz zu machen, es war ein unglaublich unglaublich unglaublich schöner Abend. Mit all den alten Liedern, die schon lange im Herz sind und die neuen, die sicherlich auch bald dorthin gelangen werden. Die Hälfte der Lieder sowieso mitgesungen (...und erschrocken als ich merkte, dass ich fast so laut wie der Matze singe) und beglückt nach Hause gegangen.
Aber nicht ohne vorher doch noch ein paar Euro gespendet zu haben und... - ja, ich gestehe - ein Poster signieren zu lassen. Manchmal bin ich eben doch Groupie. Zumindest beim Matze. Aber der ist ja auch toll.
Restlos angenehm und beglückend das Ganze. Ich hoffe, dass es sich finanziell nicht allzu verheerend ausgewirkt hat, das kostenlos zu machen, denn ich fand es so viel schöner. Ich weiß, dass andere Menschen das nicht so sehen, aber mir wäre es unangenehm gewesen ohne Spende zu gehen. Wenn sich solche Denkweisen doch nur ein wenig mehr verbreiten könnten, dann würde nicht ständig dieser Eintrittspreis-Blödsinn über uns schweben und jede_r könnte so viel geben, wie sie_er eben für richtig und wichtig hält.
Egal. Es war großartig. Fünf von Fünf Sternen. Und eine alte Liebe neu entfacht.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen