Samstag, 2. August 2008

Sucks'n'Summer 2008 - Samstag

Da am selben Tag in Leipzig der Rave für Tierbefreiung statt fand, musste ich vorerst mit elektronischer Musik vorlieb nehmen und verpasste einige der frühen Bands. Voll mit elektronischen Beats musste dann der Hardcore seinem Namen erstmal gerecht werden.

Die ersten, die ich sah, waren eine lang verschollene Früh-Jugend-Erinnerung: Misconduct. In eben jenem AJZ Leisnig waren sie Hauptbestandteil meiner allerersten Hardcore-Show. Keine Ahnung wann das war, scheint Ewigkeiten her zu sein. Jedenfalls war die Show großartig und Misconduct auch. Ein wenig verlor ich sie aus den Augen, doch es war hübsch sie einmal wieder zu sehen. Auch wenn vor der Open Air-Stage gegen 18:00 noch nicht so viele Menschen versammelt waren und nur einige eingefleischte Fans für Stimmung sorgten. Dazu gehörte ich allerdings merkwürdigerweise auch recht schnell wieder. Denn ihr süßer schwedischer Melodycore mit den plakativen Texten, geht schnell ins Ohr und viele Lieder konnte ich auch nach Jahren noch mitsingen. Sehr angenehmer Einstieg, auch wenn ich an Unity und Hardcore Pride irgendwie nicht mehr so recht glauben mag. Erstaunlich, dass das bei ihnen trotzdem nie prollig oder machomäßig wirkt, sondern aus tiefster Überzeugung heraus entstanden zu sein scheint. Menschen mit Überzeugungen.

Weiter ging es mit All for Nothing aus den Niederlanden, die mit ihrem schweren female-fronted Hardcore alles überrollten und die Stimmung anzuheizen vermochten. Relativ coole Band, die mensch sich gern mal geben kann. Allerdings auch nichts, was jetzt irgendwie sonderlich herausragt.

Sworn Enemy wollten wir bewusst verpassen, durch einen unvorhergesehenen Line-Up-Dreher, verpassten wir aber stattdessen Wisdom in Chains. Sworn Enemy machen metallischen Bollokram. Muss ich mehr sagen?

Danach dann allerdings eine Überraschung: The Architects. Die waren richtig geil und erinnerten in ihren besten Momenten an Dillinger Escape Plan. Ein breites Grinsen im Gesicht für ihr professionelles Gefrickel da oben. Sehr schnell unterwegs und technisch immer für eine unerwartete Wendung gut. Haben sehr viel Spaß gemacht!

Und waren doch nur Wartezeitüberbrückung für die heiß ersehnten Bane. Auch ganz in der Gegend, nämlich im Jugendhaus Rosswein, sah ich sie vor einiger Zeit das erste Mal und die Jungs aus Massachussetts vermochten es doch glatt meinen Glauben an Hardcore wieder herzustellen. So eine Aufrichtigkeit, so ein Commitment und so viel Herzblut, was sie verströmen - das steckt an. Die leben Hardcore mit allem was das heißt - und das schon seit vielen Jahren. Und bleiben den Idealen treu, von denen die neueren Hardcore-Generationen so wenig wissen wollen. Leicht gealtert stehen sie da auf der Bühne und schaffen es (nicht nur mich) noch immer zu elektrifizieren. Für die verliere ich doch gern im riesigen Outdoor-Circle Pit meinen Schuh. Wenn mir dann Leute wieder aufhelfen und mir zeigen, dass es das alles noch gibt, was Hardcore heißt.
Und kommen dann die Anderen, die "neuen", dann ist klar was passiert. Ein Typ hat einem anderen paar gelangt - einfach so. Bane beenden ihr Lied und sagen, dass sie nicht weiter spielen, bis dieser Typ sich verpisst. Weil sie so etwas nicht haben wollen auf ihren Shows. Weil sich so etwas nicht gehört auf Hardcore-Shows. Und weil viel zu wenige Bands das Maul aufmachen, wenn es so weit kommt. Weil jene Bands die Kids im Pit scheinbar nicht mehr interessieren.

Ich bin so froh, dass es noch Bands wie Bane gibt. Und solange sich das nicht ändert, glaube ich auch weiterhin manchmal noch an Hardcore und alles was damit zusammen hängt.

Ein Beispiel mag vielleicht sein, dass ich bei Weitem nicht Straight Edge bin. Allerdings verbietet es mir der Respekt vor den Bands und deren Lebenseinstellungen auf Hardcore-Shows zu trinken (rauchen sowieso nicht). Schade, dass ich damit relativ alleine da stehe.

Denn gleich danach kam der Vorschlaghammer, die Ideale zu zertrümmern. All Shall Perish. Widerlicher Metalcore für Tough Guys, wobei das -core auch getrost weggelassen werden kann. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, was Hardcore mal hieß und teilweise noch heißt. Ich bin auch gleich gegangen.


Wie bereits am Freitag wurde das Festival gegen Mitternacht wieder ins gemütliche AJZ verlagert und noch einmal richtig Gas gegeben.

Begonnen wurde mit Strength Approach aus Rom, die viel mit den sich noch anschließenden To Kill zu tun haben, die ebenfalls aus Rom kommen. Sowohl musikalisch als auch meinungsmäßig und von ihrer Klasse her, stimmen sie so mit To Kill überein, dass ich auch gleich über die schreiben kann. Sehr schnell, leichte Metallkante (Strength Approach nicht so sehr), aber trotzdem Hundert Prozent Hardcore. Vegan Straight Edge - Commitment for Life. Hehre Ideale, hochpolitisch und krasse Mucke. Zwei Bands, die unheimlich Spaß machten. Schade, dass mir schon so viel in den Knochen steckte, sonst hätte ich mich liebend gern zu beiden verausgabt. Unbedingt mal geben, wenn die in der Stadt sind.

Tja, und auch wenn bzw. weil es eigentlich kaum noch besser werden konnte, musste das halt trotzdem noch passieren.

Den krönenden Abschluss des diesjährigen Sucks'n'Summers bildeten die großartigen Tangled Lines, die großteils aus Dresden kommen. Den Drummer teilen sie sich mit Vitamin X und wer die kennt, weiß wie rasendschnell der ist. Auch stilistisch sind The Tangled Lines in dieser Richtung zu verorten. Sauschnell, laut und den Idealen des Hardcore noch immer verhaftet. Dazu ein schöner "Hauch" Ostigkeit - der Gitarrist mit langen Haaren und Oberlippenbart könnte auch einer 70er-Jahre-DDR-Rockband entsprungen sein - inklusive Dialekt. Die alte Schule mit schnellerem Beat.

Für Hardcore (leider) genau so ungewöhnlich wie wohltuend, dass es eine Sängerin gibt. Und auch wenn ich es doof finde, plötzlich mit Schwärmen anzufangen, wenn da mal kein Typ auf der Bühne steht, aber die Frau ist einfach bezaubernd. Die Freude, der Glanz in den Augen, die Ansagen, da steckt noch Feuer und Energie dahinter. "Zum Glück sind die Windmühlen schon nach Hause gegangen - wer hier Windmühlen machen will, kriegt von mir persönlich paar mitm Knie in die Eier" und alles ist geklärt. Kein Metal-Mosh, kein Tough-Guy-Shit, nur Stage-Diving, Circle Pits und dick Pogo. So macht Hardcore noch Spaß. Leider war ich selbst -wie gesagt- nach den beiden Tagen total platt, so dass ich nicht mehr viel mitgemacht hab, aber diese Band ist einfach zu geil. Poltern in einer atemberaubenden Geschwindigkeit los und kaum ist das Lied zuende, entschuldigt sich die Sängerin, dass sie langsamer geworden sind, weil sie nicht mehr so oft auftreten. Da sind die Sympathien klar verteilt. So liebe ich Hardcore. Ohne Bollos, Hools, Metal-Anleihen und Tough-Guy-shit. Stattdessen authentischer Hardcore, bei dem alle Spaß haben sollen.

Das Lustigste war das Ende. Nach einer Zugabe meinte die Sängerin, dass sie nichts mehr können und ihre Stimme im Arsch ist. Nach ewigen Diskussionen meinte sie dann, dass ja ein oder mehrere Menschen aus dem Publikum noch ein Lied singen könnten. Und so geschah es dann. Zwei-drei Typen kamen auf die Bühne und performten ein Tangled-Lines-Stück. Sehr sehr hübsch. Wie die Tangled Lines insgesamt und To Kill und Bane und all der Hardcore-Spirit, der einmal mehr seinen Weg in mein Herz fand, so prekär und zerbrechlich er auch sein mag.

Und so bin ich versöhnt und beglückt nach Hause gegangen. Endgeile Show. Tolles Festival.

Freitag, 1. August 2008

Sucks'n'Summer 2008 - Freitag

Das Line-Up des diesjährigen Sucks'n'Summers verhieß schon im Vorfeld nicht zu viel Gutes. Aber da ich nur wenige Kilometer von Leisnig aufgewachsen bin und dort noch immer das ein oder andere bekannte Gesicht herumgeistert, wollte ich natürlich auch dieses Jahr wieder hin.
Ironisch mag daran vielleicht erscheinen, dass ich dieses Festival das erste Mal gerade in jenem ersten Jahr besuchte, in dem ich nicht mehr in der Gegend ansässig war.

Nachdem für dieses Jahr auch noch Verse abgesagt hatten, war ich wirklich am Grübeln, ob es mir gefallen würde. Viel Metal, viel "Bollo" und nur wenige Highlights.

Überhaupt scheint das Sucks'n'Summer ein gutes Spiegelbild der Hardcore-Szene an sich zu sein. Politik findet nur noch am Rande, an einigen Antifa- und Mob Action-Ständen statt und Konsum und "neue" Szeneidentität prägen das Bild. Zu dieser neuen Identität gehört ein unglaublich stumpfes Selbst-Abfeiern und widerliches Männlichkeitsideal. Straight Edge verkommt zu einem Dogma für Machos, die damit nur noch Stärke, Stolz und Selbstbeweihräucherung verbinden, mehr aber auch nicht. Und die anderen geben es einfach ganz auf und saufen sich die Birne zu, bis sie zu späterer Stunde lauthals rumprollen.

Sinnbildlich für die Organisation auch der Info-Flyer, auf dem zum Melden von braunem Gesocks aufgerufen wird - der allgegenwärtige Sexismus in der Szene wird jedoch nicht einmal thematisiert. Ebenfalls finde ich diese Pseudo-Toleranz total verlogen, nach welcher "food for everyone" angepriesen wird. Das äußert sich in drei Ständen, welche neben veganem Fast-Food auch diverse Tierausbeutungs- und Tiermordprodukte feilbieten. Stellung zu beziehen für Tierrechte wäre wohl zu viel verlangt. Stattdessen wird den Konsument_innen die ganze Palette vorgesetzt und jede strukturelle Verantwortung für falsche Konsumgewohnheiten abgelehnt. Der politische Anspruch endet halt leider bei Anti-Nazismus, der in der Region ja schon beinahe selbstverständlich ist bzw. sein muss, da eine Nicht-Positionierung zu diesem Thema quasi ausgeschlossen ist. Die Konzepte von "Good night white pride" bzw. "Let's fight white pride" nahmen nicht umsonst auch hier ihren Ausgang. Trotzdem natürlich verdammt gut, dass es in der Provinz Menschen gibt, die sich so dezidiert gegen Neo-Nazismus einsetzen.

Aber gehen wir über zur Musik. Morda hatten wir verpasst und kamen zu Coliseum, die zwar Hardcore der cooleren Sorte machen, aber für mich zur Lachnummer wurden, als ich sie zwei Tage später ein weiteres Mal als Vorband von Converge sah. Da meinte der Sänger nur, dass er zwar froh ist, bald wieder in den Staaten zu sein, aber sehr neidisch auf das europäische Krankenversicherungssystem ist. Denn sein Haus, sein Auto und seine Gitarre kann er sich abschminken, wenn er in Amerika Krebs kriegt. Vielleicht sollte er mal ein Lied über die endgeilen europäischen "Wohlfahrts"-Staaten schreiben...


Es ging weiter mit War from a Harlots Mouth, die mit Full Speed Ahead tauschten, weil die "quasi-lokalen" aus Leipzig, im Stau standen. Ironie. WfaHM machen auch ziemlich schicke Musik, die wohl irgendwo zwischen Jazz und Grindcore zu verorten ist, was mir sehr gefiel. Die werd ich mir mal wieder anschauen. Full Speed Ahead, nun endlich eingetroffen, zockte danach auch gleich guten Bollo-Hardcore, der Sparte Make it count. Ist schon Berliner Bezirksnummerngeprolle lächerlich, so setzen FSA mit ihrem Song "0-four-two-seven-seven" dem ganzen die Krone auf und zeigen mit ihrer Ode an ihre Leipzig-Connewitzer Postleitzahl, warum ich sie als "Bollo" verorte. Naja, wenigstens haben sie einen Song namens "Good night white pride" am Start, der zwar textlich auch sehr dünn ist, aber doch den guten Willen zeigt.

Weiter gings mit No Turning Back, die vielleicht auch ein wenig prollig daherkommen mögen, aber die Niederländer wirken wenigstens...hm..."authentisch" wäre das erste Wort, das mir einfällt. Also sie leben Hardcore noch, mitsamt vieler der alten Ideale. Außerdem sind sie live ziemlich gut und kitzeln aus dem Durchschnittshardcore wenigstens noch das bisschen Potenzial heraus, was er her gibt. Deshalb möchte ich sie auch gar nicht schlecht reden, denn fernab meiner persönlichen Vorbehalte machen sie einfach mal Stimmung bei den Hardcore-Kids. Und das ohne Violent Dancing.

Integrity spar ich mir an dieser Stelle großteils. Viel zu wütend bin ich noch immer über die Vorfälle beim Converge-Konzert als sie während einer (einseitig provozierten) Schlägerei einfach weiter spielten ohne sich auch nur einen Dreck darum zu kümmern, was da unten vor sich ging.
Auch sonst ist nix Gutes zu denen zu sagen. Einfallsloser US-Bollo-Scheiß mit harter Metal-Kante. Von mir aus auch Metalcore. Irgendso ein eintöniger Kack halt.

Den Abschluss des Abends auf dem Open-Air-Gelände machten The Bones, die mit ihrem alkohollastigem punkigen Rock'n'Roll da ja mal so gar nicht hinpassen wollten. Waren ganz nett anzuschauen, aber nach ein paar Liedern versumpfte das Ganze auch in Eintönigkeit.

Mittlerweile war es Mitternacht und das AJZ öffnete seine Tore. Der Indoor-Anfang wurde der lokalen Band Commander Control anvertraut, die ihre Sache (wie immer) sehr gut machten. Entsprechend des "Umfelds" machen sie feinen Hochgeschwindigkeits-Old-School-Hardcore, der weder die neumodische Metalscheiße, noch die Bollokacke kennt und stattdessen mit einer wütenden Sängerin politische Inhalte und Hardcore-Lifestyle auf einer einfachen Ebene zu verbinden weiß. Gut so. Schön, dass es so etwas noch gibt.

Weiter ging es mit meinem Highlight des Tages: Something Inside. Ich kannte die vorher gar nicht und bin auch grad ein wenig verwundert darüber, dass die Jungs aus Senftenberg kommen, denn ihre Ansagen waren durchgängig englisch. Naja, seis drum, denn was sie sagten und zockten, war verdammt groß. Kein Wunder bei Youth of Today als Haupteinfluss. Politische Ansagen, u.a. auch zu den zehn Menschen in Österreich, die nur für ihre Tierrechtsarbeit in den Knast gesteckt wurden und vieles was einfach viel zu selten gesagt wird, fiel dann. Respekt.

Da ließ ich mich dann auch nicht zwei Mal bitten und schwitzte mir im Pit die Poren leer. War schon lange nicht mehr am moshen und Circle-Pit-rennen, aber die Freude bei einer inhaltlich und musikalisch sehr coolen Band in Bewegung zu sein, kam sehr schnell zurück. Fein fein.

Danach waren Make it Count aus Berlin an der Reihe. Für mich so ungefähr der Inbegriff stumpfen Bollo-Hardcores. Aber ne Menge Leute wollten sie sehen und rannten auch mit deren Tshirts rum. Nicht zu unrecht möchte ich bei den meisten meinen. Denn wer auf machohafte Selbstbespiegelung steht, kommt da auf seine Kosten. Ich bin nach ein paar Liedern gegangen. War eh durchgeschwitzt und müde und hab sie letztes Jahr schon gesehen. Bin da allerdings auch eher gegangen. Hat wohl Gründe.

Alles in allem ein netter Festivaltag, der leider mit Ausnahme von Something Inside keine Riesen-Highlights bereit hielt.