Freitag, 1. August 2008

Sucks'n'Summer 2008 - Freitag

Das Line-Up des diesjährigen Sucks'n'Summers verhieß schon im Vorfeld nicht zu viel Gutes. Aber da ich nur wenige Kilometer von Leisnig aufgewachsen bin und dort noch immer das ein oder andere bekannte Gesicht herumgeistert, wollte ich natürlich auch dieses Jahr wieder hin.
Ironisch mag daran vielleicht erscheinen, dass ich dieses Festival das erste Mal gerade in jenem ersten Jahr besuchte, in dem ich nicht mehr in der Gegend ansässig war.

Nachdem für dieses Jahr auch noch Verse abgesagt hatten, war ich wirklich am Grübeln, ob es mir gefallen würde. Viel Metal, viel "Bollo" und nur wenige Highlights.

Überhaupt scheint das Sucks'n'Summer ein gutes Spiegelbild der Hardcore-Szene an sich zu sein. Politik findet nur noch am Rande, an einigen Antifa- und Mob Action-Ständen statt und Konsum und "neue" Szeneidentität prägen das Bild. Zu dieser neuen Identität gehört ein unglaublich stumpfes Selbst-Abfeiern und widerliches Männlichkeitsideal. Straight Edge verkommt zu einem Dogma für Machos, die damit nur noch Stärke, Stolz und Selbstbeweihräucherung verbinden, mehr aber auch nicht. Und die anderen geben es einfach ganz auf und saufen sich die Birne zu, bis sie zu späterer Stunde lauthals rumprollen.

Sinnbildlich für die Organisation auch der Info-Flyer, auf dem zum Melden von braunem Gesocks aufgerufen wird - der allgegenwärtige Sexismus in der Szene wird jedoch nicht einmal thematisiert. Ebenfalls finde ich diese Pseudo-Toleranz total verlogen, nach welcher "food for everyone" angepriesen wird. Das äußert sich in drei Ständen, welche neben veganem Fast-Food auch diverse Tierausbeutungs- und Tiermordprodukte feilbieten. Stellung zu beziehen für Tierrechte wäre wohl zu viel verlangt. Stattdessen wird den Konsument_innen die ganze Palette vorgesetzt und jede strukturelle Verantwortung für falsche Konsumgewohnheiten abgelehnt. Der politische Anspruch endet halt leider bei Anti-Nazismus, der in der Region ja schon beinahe selbstverständlich ist bzw. sein muss, da eine Nicht-Positionierung zu diesem Thema quasi ausgeschlossen ist. Die Konzepte von "Good night white pride" bzw. "Let's fight white pride" nahmen nicht umsonst auch hier ihren Ausgang. Trotzdem natürlich verdammt gut, dass es in der Provinz Menschen gibt, die sich so dezidiert gegen Neo-Nazismus einsetzen.

Aber gehen wir über zur Musik. Morda hatten wir verpasst und kamen zu Coliseum, die zwar Hardcore der cooleren Sorte machen, aber für mich zur Lachnummer wurden, als ich sie zwei Tage später ein weiteres Mal als Vorband von Converge sah. Da meinte der Sänger nur, dass er zwar froh ist, bald wieder in den Staaten zu sein, aber sehr neidisch auf das europäische Krankenversicherungssystem ist. Denn sein Haus, sein Auto und seine Gitarre kann er sich abschminken, wenn er in Amerika Krebs kriegt. Vielleicht sollte er mal ein Lied über die endgeilen europäischen "Wohlfahrts"-Staaten schreiben...


Es ging weiter mit War from a Harlots Mouth, die mit Full Speed Ahead tauschten, weil die "quasi-lokalen" aus Leipzig, im Stau standen. Ironie. WfaHM machen auch ziemlich schicke Musik, die wohl irgendwo zwischen Jazz und Grindcore zu verorten ist, was mir sehr gefiel. Die werd ich mir mal wieder anschauen. Full Speed Ahead, nun endlich eingetroffen, zockte danach auch gleich guten Bollo-Hardcore, der Sparte Make it count. Ist schon Berliner Bezirksnummerngeprolle lächerlich, so setzen FSA mit ihrem Song "0-four-two-seven-seven" dem ganzen die Krone auf und zeigen mit ihrer Ode an ihre Leipzig-Connewitzer Postleitzahl, warum ich sie als "Bollo" verorte. Naja, wenigstens haben sie einen Song namens "Good night white pride" am Start, der zwar textlich auch sehr dünn ist, aber doch den guten Willen zeigt.

Weiter gings mit No Turning Back, die vielleicht auch ein wenig prollig daherkommen mögen, aber die Niederländer wirken wenigstens...hm..."authentisch" wäre das erste Wort, das mir einfällt. Also sie leben Hardcore noch, mitsamt vieler der alten Ideale. Außerdem sind sie live ziemlich gut und kitzeln aus dem Durchschnittshardcore wenigstens noch das bisschen Potenzial heraus, was er her gibt. Deshalb möchte ich sie auch gar nicht schlecht reden, denn fernab meiner persönlichen Vorbehalte machen sie einfach mal Stimmung bei den Hardcore-Kids. Und das ohne Violent Dancing.

Integrity spar ich mir an dieser Stelle großteils. Viel zu wütend bin ich noch immer über die Vorfälle beim Converge-Konzert als sie während einer (einseitig provozierten) Schlägerei einfach weiter spielten ohne sich auch nur einen Dreck darum zu kümmern, was da unten vor sich ging.
Auch sonst ist nix Gutes zu denen zu sagen. Einfallsloser US-Bollo-Scheiß mit harter Metal-Kante. Von mir aus auch Metalcore. Irgendso ein eintöniger Kack halt.

Den Abschluss des Abends auf dem Open-Air-Gelände machten The Bones, die mit ihrem alkohollastigem punkigen Rock'n'Roll da ja mal so gar nicht hinpassen wollten. Waren ganz nett anzuschauen, aber nach ein paar Liedern versumpfte das Ganze auch in Eintönigkeit.

Mittlerweile war es Mitternacht und das AJZ öffnete seine Tore. Der Indoor-Anfang wurde der lokalen Band Commander Control anvertraut, die ihre Sache (wie immer) sehr gut machten. Entsprechend des "Umfelds" machen sie feinen Hochgeschwindigkeits-Old-School-Hardcore, der weder die neumodische Metalscheiße, noch die Bollokacke kennt und stattdessen mit einer wütenden Sängerin politische Inhalte und Hardcore-Lifestyle auf einer einfachen Ebene zu verbinden weiß. Gut so. Schön, dass es so etwas noch gibt.

Weiter ging es mit meinem Highlight des Tages: Something Inside. Ich kannte die vorher gar nicht und bin auch grad ein wenig verwundert darüber, dass die Jungs aus Senftenberg kommen, denn ihre Ansagen waren durchgängig englisch. Naja, seis drum, denn was sie sagten und zockten, war verdammt groß. Kein Wunder bei Youth of Today als Haupteinfluss. Politische Ansagen, u.a. auch zu den zehn Menschen in Österreich, die nur für ihre Tierrechtsarbeit in den Knast gesteckt wurden und vieles was einfach viel zu selten gesagt wird, fiel dann. Respekt.

Da ließ ich mich dann auch nicht zwei Mal bitten und schwitzte mir im Pit die Poren leer. War schon lange nicht mehr am moshen und Circle-Pit-rennen, aber die Freude bei einer inhaltlich und musikalisch sehr coolen Band in Bewegung zu sein, kam sehr schnell zurück. Fein fein.

Danach waren Make it Count aus Berlin an der Reihe. Für mich so ungefähr der Inbegriff stumpfen Bollo-Hardcores. Aber ne Menge Leute wollten sie sehen und rannten auch mit deren Tshirts rum. Nicht zu unrecht möchte ich bei den meisten meinen. Denn wer auf machohafte Selbstbespiegelung steht, kommt da auf seine Kosten. Ich bin nach ein paar Liedern gegangen. War eh durchgeschwitzt und müde und hab sie letztes Jahr schon gesehen. Bin da allerdings auch eher gegangen. Hat wohl Gründe.

Alles in allem ein netter Festivaltag, der leider mit Ausnahme von Something Inside keine Riesen-Highlights bereit hielt.

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