Seit einigen Jahren nun schon findet in Berlin das "Fête de la musique" statt, welches, ursprünglich in Frankreich mit dem Gedanken auch weniger Begüterten Kultur nahezubringen, Anfang der 80er entstanden ist. In der ganzen Stadt sind Straßenmusikant_innen, professionelle Bands und Künstler_innen aller Art und jeden Stils anzutreffen und selbst die Gräßlichkeit des deutschen Ordnung-und-Sauberkeits-Primat ist, durch Aussetzung der Straßenmusikverordnungen, mal für ein paar Stunden mit einem Regenbogen ins Gesicht gemalt.
Ich für meinen Teil sah es als gute Gelegenheit an, mir mal wieder ein paar Bands anzuschauen, die ich noch nicht kannte und mich musikalisch weiterzubilden.
Los ging es für mich 16.00 Uhr am Mauerpark mit The Ghost of Tom Joad, die auf myspace noch ganz nett geklungen haben, aber mich irgendwie nicht so wirklich überzeugen konnten. Lag wohl neben der ekelhaften Kommerz-Stimmung (nein, ich nenne die verantwortlich Firma nicht) auch am Schulband-Rock-Sound. Etwas enttäuscht, aber noch immer guten Mutes ging es weiter zur Kulturfabrik in Moabit. Genauer gesagt, dahinter. Dummerweise haben wir uns auf dem Weg dahin verfahren und so Einiges verpasst. Hinter der Kulturfabrik war eine mittelgroße Bühne aufgebaut und den ganzen Tag gab es feine Dunkelmusik auf die Ohren. Zwischen Gothic-Rock, Dunkelelektronik, Metal, Wave und Gothic-Punk war für Schwarzgewandete und Sympathisierende sehr viel aufgeboten. Wir sahen um diese Uhrzeit leider nur Decades. Die haben zu zweit sehr angenehmen Wave mit Computer und Gitarre aufgeboten. Klang alles sehr nach Depeche Mode, was nach Eigenaussage auch gewollt war. Und alles andere als verkehrt war. Leider gab es einige Verzögerungen im Ablauf, so dass wir bereits weiter mussten, denn am Cassiopeia sollten We once loved spielen. Da wir erst einmal ne Weile an der falschen Bühne standen und - von der poppigen Musik abgeschreckt - noch mal Getränke sicherten, haben wir die komplett verpasst. Glücklicherweise haben wir unseren Irrtum aber genau dann entdeckt, als Trip Fontaine begannen. Sehr sehr geiler Improvisations-Hardcore. Nichts Festgelegtes, dafür mal ein wenig Elektronik, ein wenig Gejamme, drei Gitarren und viel gute Laune. Und wer das Zeitstrafe-Label kennt und meiner Aussage, dass sie da wirklich gut reinpassen, Vertrauen schenkt, kann sich ungefähr vorstellen, in welchem Rahmen das alles abläuft. Jedenfalls sehr schön gewesen, nun aber schnell weiter.
Wieder zurück zur Kulturfabrik, um zu sehen, dass Frank the Baptist schon losgelegt haben. Die machen Musik so, wie ich sie liebe. Dunkel, punkig, wavig. Die Stimme von Frank in bester Horrorpunk-Manier relativ weich und hoch, die Gitarren als seien sie in der Zeit stecken geblieben oder kommen direkt aus den frühen Achtzigern, genau wie die Musik insgesamt. Aus einer Zeit, in der Gothic und Punk noch dasselbe bedeuteten, schienen auch große Teile des Publikums zu stammen. Manche gar altersmäßig, viele jedoch zumindest optisch. Aufgebauschte, in alle Richtungen stehende Irokesen in allen Farben (bevorzugt natürlich jedoch schwarz), aufwendige, zerrissene Outfits mit dutzenden Accessoires und viel Schminke. Ich kann mir nicht helfen, aber ich liebe diesen androgynen, dunkelbunten Chic einfach. Und kann mich daran nie satt sehen. Jedenfalls hat alles gepasst und ich hab einen der seltenen Momente erlebt, in denen mich weder Musik noch Publikum störten. Große Seltenheit. Dementsprechend waren Frank the Baptist auch die Krönung des Abends. Gegen 22.00 Uhr schlossen sie dann mit ihrem Hit "If I speak", der vielfach mitgesungen wurde und mehrere Menschen auf die Bühne hat klettern lassen. Gemeinsam wurde so der Schlusspunkt unter einen schönen Nachmittag und Abend gesetzt, der in seinem Verlauf bandtechnisch immer besser wurde.
Ich mag die Fête de la musique-Idee sehr und nach dem ich es nun selbst gesehen habe, noch mehr.
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